PISA-Studie: radikale Schulreform gefordert

Bayerns Schulen führen in interner Wertung

(dpa)Das krasse Leistungsgefälle zwischen den Bundesländern bei der innerdeutschen PISA-Schulstudie hat den Ruf nach radikalen Schulreformen in der Bundesrepublik ausgelöst. Die Wirtschaft sieht «eine Gefahr für den Standort Deutschland» im internationalen Wettbewerb. Der Bundeselternrat rief Eltern am Wochenende zur Verfassungsklage auf, weil die Grundgesetz-Garantie gleicher Lebensverhältnisse in den 16 Ländern nicht mehr erfüllt sei.

Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) will die Vergabe der zugesagten vier Milliarden Euro für den Ausbau von 10 000 Ganztagsschulen an konkrete Reformzusagen der Länder knüpfen.

Bayern liegt in der PISA-Gesamtwertung sowohl beim Lese- und Textverständnis als auch bei der mathematischen und der naturwissenschaftlichen Grundbildung mit deutlichem Abstand vor den anderen Bundesländern - gefolgt von Baden-Württemberg. Die der dpa vorliegende Endfassung des innerdeutschen Leistungsvergleichs zeigt allerdings im Einzelnen ein differenziertes Bild: So belegt Schleswig-Holstein beim Ländervergleich der Gymnasien in den Naturwissenschaften den ersten Platz.

Insgesamt bestes SPD-geführtes Bundesland ist Rheinland-Pfalz, das im Haupt-Untersuchungsfeld Lesekompetenz auf den vierten Platz kommt. Das bevölkerungsreichste Bundesland Nordrhein-Westfalen behauptet sich entgegen bisherigen Spekulationen gut im Mittelfeld. Schlusslichter sind Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Bremen.

Die Studie verdeutlicht zugleich das insgesamt miserable deutsche Abschneiden im internationalen Vergleich. Mit Bayern erreicht nur ein einziges Bundesland das obere Leistungs-Drittel der 31 gewerteten Industriestaaten. Dabei landet Bayern beim Lesen auf dem 10. Platz - zwischen Schweden und Österreich. Baden-Württemberg folgt erst auf Platz 17 - zwischen den USA und Dänemark. Sachsen-Anhalt und Bremen liegen auf den unteren Plätzen - nur noch vor Luxemburg, Mexiko und Brasilien. Die Bundesrepublik insgesamt war auf Platz 21 gekommen.

Bulmahn will vor dem Hintergrund der deutschen Schulmisere bundesweit verbindliche Lernstandards für alle Schüler durchsetzen. In einem vertraulichen Papier ihres Ministerium, das der dpa vorliegt, heißt es: «Die deutsche Zweitklassigkeit im internationalen Vergleich und das Auseinanderdriften des deutschen Schulsystems lassen sich im Rahmen des föderalen Zuständigkeitsgewirrs nicht mehr bewältigen.» Geplant ist ein spezieller Arbeitsstab im Ministerium unter dem Titel «Taskforce Zukunft Bildung», der die Umsetzung der mit den Ländern vereinbarten Bildungsreformen überwachen soll.


Die vom Bund zugesagten vier Milliarden Euro für den Ganztagsschulausbau sollen an Qualitätsstandards geknüpft werden. «Billigangebote müssen verhindert werden», heißt es in dem Papier. Die unionsgeführten Länder stehen dem Programm wegen der Mitsprache des Bundes und der Folgekosten äußerst distanziert gegenüber. Aber auch in SPD-geführten Ländern gibt es Zurückhaltung.

Die Bildungssprecher der SPD- und der unionsgeführten Bundesländer, Jürgen Zöllner (SPD/Rheinland-Pfalz) und Hans Zehetmair (CSU/Bayern), kündigten in dpa-Gesprächen übereinstimmend die Einführung gemeinsamer Ziele und Lernstandards für alle Länder an. Dabei sollten im föderalen Wettbewerb der Länder um das beste Schulsystem aber auch weiterhin getrennte Wege möglich sein. Zehetmair: «Wir wollen keinen Einheitsbrei.» Zöllner: «Wir brauchen gemeinsame Ziele - aber kein Marschieren im Gleichschritt.»

Dagegen machen die dramatischen Unterschiede im deutschen Schulsystem nach Aussage der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) das «Scheitern des Bildungsföderalismus in Deutschland deutlich». Wenn zwischen einzelnen Bundesländern sowohl beim Leistungsniveau als auch bei der Finanzausstattung der Schulen und der Zahl der Unterrichtsstunden eine Differenz klaffe wie etwa zwischen Deutschland und Mexiko, dann könne von gleichen Bildungs- und Lebenschancen in der Bundesrepublik «keine Rede mehr sein», sagte die GEW-Vorsitzende Eva-Maria Stange.

Unions-Kanzlerkandidat Edmund Stoiber (CSU) warf den SPD- regierten Ländern eine «unsägliche Bildungspolitik» vor. Schüler hätten dort im Vergleich zu Bayern und Baden-Württemberg gravierende Nachteile. Der Chef der internationalen PISA-Studie, Andreas Schleicher, warnte die Bundesländer davor, sich nur an innerdeutschen Maßstäben zu messen. Eine so bedeutende Industrienation wie Deutschland müsse sich an PISA-Spitzenreitern wie Finnland, Kanada oder Korea messen.

Bei dem bisher weltweit größten Schulvergleich waren die Leistungen von 180 000 Schülern im Alter von 15 Jahren getestet worden. Die deutsche Zusatzerhebung erfasste weitere 50000 Schüler.


Quelle: Islamische Zeitung

@ Ekrem Yolcu

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