Der Krieg ist zu Ende - der Frieden auch? - Kommentar
"Könnt ihr mir helfen, meine Arme zurückzubekommen? Glaubt ihr, dass die
Ärzte mir ein neues Paar Hände geben können?"
Das Bild von Ali Ismail Abbas, der verbrannt, verstümmelt und verwaist in einem Bagdader
Krankenhaus liegt, könnte Symbol des Irak-Kriegs werden. Es waren meist die individuellen
Schicksale und nur selten horrende Opferzahlen, die ganze Gesellschaften zu bewegen
vermochten. "Ein Toter ist eine Tragödie, eine Million Tote eine Statistik",
sagte einst der Schreckensherrscher Josef Stalin.
Ausgegebenes Kriegsziel nicht erreicht
Zudem scheint - ohne dass es jemand so richtig bemerkt hat - das offiziell angekündigte
Kriegsziel nicht erreicht: nämlich die von den USA unermüdlich betonten versteckten
Massenvernichtungswaffen aufzufinden und unschädlich zu machen, sowie Saddam Hussein und
seiner Clique habhaft zu werden. Die Propaganda der Massenvernichtungswaffen hat wohl
endgültig ausgedient und Saddam ist weiter flüchtig. Es bleibt zu hoffen, dass die jetzt
untergetauchten Milizen und bewaffneten Baáth-Funktionäre nicht irgendwann aus ihren
Löchern hervorkriechen und unterdrückerisch das Land beherrschen, und zwar aufgrund
mangelnder ziviler Strukturen, welche die Siegermächte nicht im Stande sind aufzubauen..
Der bereits bezahlte Krieg
Der Krieg in Irak macht auch auf eine weitere Ungerechtigkeit aufmerksam: Zum ersten Mal
wird von den USA ein Krieg geführt, dessen Kosten direkt und unmittelbar durch die
Kriegsbeute wieder zurückgeholt werden können. Es ist ein "doppelt lukratives"
Geschäft: Neben den Mehreinnahmen, welche die Rüstungsindustrie zu verzeichnen hat -
insbesondere durch die immens hohen staatlichen Aufträge, kann der Staat jetzt auch
direkt seine Kosten wieder durch die bald fließenden Öleinnahmen wett machen. Kann also
das irakische Volk davon auch profitieren? Ja - aber so ziemlich an letzter Stelle. Erst
wenn die Kriegskosten bezahlt und die Unternehmen die "Beute" verteilt sehen,
wird das irakische Volk an der Reihe sein. Ob das die UNO zu verhindern weiß? Sie will es
schon, nur sie kann es leider nicht.
"Lizenzierte Hilfe" und das Dilemma der UNO
Die Siegermächte werden sicherlich der UNO irgendein "flaches Mandat"
zuerkennen. Doch darf jetzt dieser Mechanismus nicht auch noch auf die humanitäre Hilfe
übertragen werden. Es gibt eindeutige Aussagen führender Hilfsorganisationen, die sagen,
dass die USA die Hilfslogistik und deren Wege bestimmen, sprichwörtlich
"lizenzieren" will. Wenn nur noch "lizenzierte Hilfe" möglich ist,
wäre dies das Ende der unabhängigen humanitären Hilfe und ein weiterer Verstoß gegen
die UNO-Menschenrechtskonventionen.
Menschenrechtspolitik ist präventive Friedenspolitik
Für die Zukunft macht das Beispiel Irak auch und gerade deutlich, dass
Menschenrechtspolitik die eigentliche präventive Friedenspolitik ist. Der Irak (wie der
gesamte Nahe Osten) braucht eine demokratische und rechtsstaatliche Perspektive. Zudem
muss eine umfassende Dokumentation über die Unterdrückung des Regimes gegen die
Zivilbevölkerung her. Die Aufarbeitung der Verbrechen des Ba´ath-Regimes kann innerhalb
eines Tribunals manifestiert werden. In Südafrika hat man da einschlägige und gute
Erfahrungen gemacht. Aber auch mögliche Kriegsverbrechen der "Koalition der
Willigen" dürfen hierbei nicht unberücksichtigt bleiben.
Der Krieg geht bald weiter - wer ist der nächste?
Der britische Verteidigungsminister stellte sich gestern eindeutig hinter die Doktrin von
US-Präsident George W. Bush, mit Präventivkriegen gegen Staaten vorzugehen, von denen
eine Bedrohung ausgehen könnte. Er rechnet in Zukunft vermehrt mit sogenannten
"Präventivschlägen" gegen potenziell gefährliche Staaten.
Die Bush-Doktrin hat Europa tief gespalten. Kritiker sind vor allem Deutschland und
Frankreich, aber auch Russland und China, die eine globale Destabilisierung fürchten.
Keine guten Aussichten für die Zukunft.
Quelle: islam.de
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