Aktuelle Themen aus dem Islam

von
Dr. Muhammad Qoja

Informationszentrale Dâr-us-Salâm 2000



4. ¨berarb. Auflage
Das Urheberecht liegt beim Autor.
Hrsg.: Informationszentrale Dâr-us-Salâm
Mit freundlicher Genehmigung der UMSO
Redaktion: Tilmann Schaible

ISBN 3-932129-69-5

 

Dieser Vortrag wurde erstmals gehalten im September 1961 in der Evangelischen Studentengemeinde Düsseldorf.



Aktuelle Themen aus dem Islam:
Was ist Islam?
Quellen des islamischen Glaubens
Die Säulen des Islams
Was unterscheidet den Islam vom Christentum
Heiliger Krieg?
Die Stellung der Frau im Islam
Das Gesetz Gottes (am Beispiel Alkoholverbot)

Bismillâh Nach oben


AKTUELLE THEMEN AUS DEM ISLAM

Das Phänomen "Islam" hat von jeher hervorragende Köpfe des christlichen Kulturkreises beschäftigt. Das Resultat ihrer Bemühungen blieb lange Zeit die einzige den Menschen des Abendlandes zugängliche Quelle des Wissens über diese Religion. Bedauerlicherweise waren die Schilderungen dieser Männer zum größten Teil unwissenschaftlich. Die Ursache dafür war nicht nur mangelnde Sachkenntnis, sondern vor allem das Unvermögen, sich in die Mentalität anderer einzufühlen und ihren Gedanken ohne Voreingenommenheit zu begegnen. Es würde zu weit führen, hier die Gründe für die oft so unsachliche und unrichtige Darstellung des Islams durch westliche Betrachter eingehender zu behandeln. Bevor man sich jedoch ein Urteil über den Islam bildet, sollte man auch die andere Seite zu Wort kommen lassen. Deshalb sollen hier einige der wichtigsten und aktuellsten Themen aufgegriffen werden, um das Bild dieser Religion von muslimischer Sicht aus aufzuzeigen.

Was ist Islam?

Wenn wir vom Islam sprechen, so meinen wir damit nicht Religion, wie sie von christlicher Warte aus verstanden wird, nämlich einen Glauben, der reine Privatsache des Einzelnen ist, in dem das Weltlich-Profane vom Religiös-Geistigen streng getrennt wird, etwa nach dem Motto: "Gebt Gott, was Gottes, und dem Kaiser, was des Kaisers ist." Vielmehr bedeutet das arabische Wort Islam "Hingabe in Gottes Willen", und diese Hingabe bezieht sich auf alle Bereiche des menschlichen Lebens, nicht nur auf die geistigen, aufs Jenseits ausgerichteten Aspekte.

Was Gottes Wille in materieller Hinsicht ist, können wir aus den Naturgesetzen erkennen. Sie beherrschen uns von der Wiege bis zum Grabe, soweit es unsere körperliche Existenz betrifft, und erstrecken sich auch auf alles um uns. Der Bleistift, den wir loslassen, fällt gemäß dem Naturgesetz der Anziehungskraft zu Boden, ebenso wie die riesigen Himmelskörper im Universum entsprechend diesen Gesetzen ihre Bahnen einhalten. Alles Materielle also, vom winzigen Staubkorn über die Vielzahl der Lebewesen bis zum gigantischen Spiralnebel, existiert in Übereinstimmung mit den Naturgesetzen, oder richtiger mit dem Willen Gottes.

Doch der Mensch zeichnet sich dadurch aus, dass er nicht nur körperlich, sondern auch geistig existiert. Damit er auch geistig - und nicht nur körperlich gezwungenermaßen - ein Leben der Hingabe in Gottes Willen oder des Islam führen kann, muss er Gottes Willen kennen. Er darf sich nicht nur auf sein Gewissen und seine notwendigerweise subjektiven Ansichten verlassen, wie es der "moderne", "aufgeklärte" und "fortschrittliche" Mensch des Zeitalters der Wissenschaft und Technik so gern tun würde, denn beide sind fehlbar. Vielmehr muss er sich darum bemühen, Gottes Willen zu erkennen, um damit eine unverrückbare, stets gültige Ausgangsbasis für sein Verhalten auf Erden zu besitzen.

Quellen des islamischen Glaubens Nach oben



Für uns Muslime sind die beiden Quellen unseres Glaubens

1. der Heilige Qur'an, das letzte der von Gott offenbarten Bücher, in dem uns der Wille Gottes dargetan wird, und

2. die Überlieferungen vom Leben und Wirken des Propheten Muhammad, die eine vorbildliche Übertragung der Qur'anischen Lehren auf die Gegebenheiten des Erdendaseins darstellen.

Der Prophet Muhammad empfing im Jahre 610 n.Chr. im Alter von 40 Jahren, die erste seiner göttlichen Offenbarungen. Diese setzen sich bis zu seinem Tode im Jahre 632 n.Chr. fort. Der Qur'an wurde also während einer Zeitspanne von 23 Jahren offenbart. Die Offenbarungen wurden vom Propheten seinen Anhängern übermittelt, welche sie teils auswendig lernten und teils niederschrieben. Vier Hauptlehrer wurden vom Propheten persönlich mit größter Genauigkeit im Qur'an-Vortrag geschult und die Zahl der Gläubigen, die durch den Propheten und die vier Hauptlehrer den Qur'an auswendig beherrschten, geht in die Tausende. Unter dem Kalifen Abu Bakr wurde dann der gesamte Text in der vom Propheten vorgetragenen Reihenfolge schriftlich festgehalten. Bereits zwei Jahre nach dem Hinscheiden Muhammads war der Qur'an somit vollständig und für alle Zeiten aufbewahrt, und selbst die schärfsten Kritiker des Islams müssen zugeben, dass seitdem nicht ein Buchstabe oder Pünktchen, geschweige denn ein ganzer Satz in diesem Heiligen Buch geändert worden ist. Was für ein Gegensatz zum Alten und Neuen Testament, deren Originaltexte heute nicht mehr vorhanden sind, und von denen selbst die christlichen Gelehrten nicht leugnen können, dass sie keineswegs unverfälscht geblieben sind.

So schreibt zum Beispiel der deutsche Orientalist Theodor Nöldeke: "Die Bemühungen europäischer Gelehrter, die Existenz späterer Änderungen im Qur'an zu beweisen, sind gescheitert." Und Sir William Muir, ein bedeutender englischer Orientalist, bestätigt: "Wir dürfen auf die stärksten Beweise hin feststellen, dass jeder Spruch des Qur'ans die echte, unverfälschte Fassung von Muhammad selbst ist. - Es gibt in der Tat kein anderes Werk in der Welt, dessen ursprünglicher Text zwölf Jahrhunderte hindurch erhalten geblieben ist." Die beispiellose Reinhaltung des Qur'an-Textes ist nur einer der vielen Beweise für den göttlichen Ursprung dieses Heiligen Buches. Wir finden dort das Versprechen: "Wahrlich, Wir selbst haben diese Ermahnung (den Qur'an) offenbart, und sicherlich werden Wir ihr Hüter sein." (Sure 15:9).

Doch nicht nur die Reinhaltung des Textes, auch die Wahl der arabischen Sprache für die Offenbarungen ist ein Beweis göttlicher Weisheit. Morgenländische wie abendländische Gelehrte sind sich darüber einig, dass sich keine andere Sprache in ihrer Schönheit und ihrem Ausdrucksreichtum so gut für die göttlichen Weisungen eignen konnte. Darüber hinaus sind die Verse im Qur'an aber auch von so unnachahmlichem literarischem Wert, dass sie menschlichen Bemühungen stets unerreichbar geblieben sind. Wir finden in Sure 2, Vers 23 und 24, die folgende Aufforderung: "Und wenn ihr im Zweifel seid über das, was Wir hinabgesandt haben zu Unserem Diener (Muhammad), dann bringt eine Sure hervor wie diesen (Qur'an) und ruft eure Helfer auf außer Gott, wenn ihr wahrhaft seid. Doch wenn ihr (es) nicht tut - und nie werdet ihr (es) vermögen -, dann hütet euch vor dem Feuer, dessen Nahrung Menschen und Steine sind, (das da ist) bereitet für die Ungläubigen." Und obwohl die Araber von jeher großartige Leistungen auf literarischem Gebiet vollbracht haben, vermochte doch kein Dichter etwas dem Qur'an Gleichwertiges aufzuweisen.

Die Überlieferung vom Leben und Wirken des Propheten, die sogenannte Sunna, ist als zweite Quelle für den islamischen Glauben ebenso sorgfältig und gewissenhaft aufbewahrt worden. Hier finden wir Rat in Dingen des praktischen Lebens, und nur wenn wir uns danach richten, sind wir in der Lage, wirklich gute Muslime zu sein. Im Qur'an wird uns geboten: "Gehorcht Gott und gehorcht dem Gesandten." (Sure 24:54). Wer diese Überlieferungen studiert, wird bald verstehen, warum der Prophet Muhammad für uns Muslime kein in weite Fernen entrückter Heiliger mit gottähnlichen Eigenschaften ist, sondern ein unendlich liebenswerter, warmherziger Mensch aus Fleisch und Blut, der durch sein lebendiges Vorbild seit 1400 Jahren seine Anhänger - die heute rund eine Milliarde zählen - zu inspirieren und zu großen Taten anzuspornen vermochte. Das also sind die Quellen des Islamischen Glaubens.

Die Säulen des Islams Nach oben



Das Gebäude unserer Religion ruht auf den sogenannten fünf Säulen des Islams, den wichtigsten Grundsätzen, deren ein Muslim sich stets bewusst sein soll.

1. Das Bekenntnis zur Einheit Gottes und zu Muhammad als Seinem Propheten, zusammengefasst in dem Satz: "Lâ ilâha illa-llâh - Muhammadur-rasûlu-llâh" - "Es gibt keine Gottheit außer Allah und Muhammad ist der Gesandte Gottes."

Durch das Aussprechen dieses Glaubensbekenntnisses tritt man offiziell zum Islam über; keine Zeremonien, Formulare oder Unterschriften sind dafür nötig. Jeder Mensch, der sich dessen bewusst wird, dass es außer dem Einen Gott nichts Anbetungswürdiges auf der Welt gibt, und der die Konsequenzen aus dieser Erkenntnis zieht, ist ein vollkommener Muslim. Der Islam kennt in dieser Hinsicht keine Kompromisse, er ist streng monotheistisch. Alle Muslime werden durch ihr bewusstes Bekenntnis zur Einheit Gottes zu einer brüderlichen Gemeinschaft, in der es keinerlei Unterschiede aufgrund von Hautfarbe oder Nationalität, gesellschaftlicher Stellung oder irgendwelchen anderen Kriterien gibt. Der Prophet sagte in seiner Rede anlässlich der Abschiedspilgerfahrt: "Oh ihr Menschen! Euer Gott ist ein Einiger Gott. Ihr habt alle einen einzigen Vorfahren, ihr alle stammt von Adam ab, und Adam wurde aus Ton geschaffen. Es gibt keinen Vorrang eines Arabers über einen Nicht-Araber oder eines Nicht-Arabers über einen Araber, noch eines Dunkelhäutigen über einen Hellhäutigen oder eines Hellhäutigen über einen Dunkelhäutigen - es sei denn aufgrund seiner Frömmigkeit und seiner Ehrfurcht vor Gott. Wahrlich, der Vornehmste unter euch in den Augen Gottes ist der, der Gott am meisten fürchtet." Die Einheit der Menschen und die Bande der Brüderlichkeit zwischen allen Muslimen auf Erden zu betonen, ist eines der wichtigsten Anliegen der islamischen Botschaft.

Einer der schönsten Aspekte im Islam ist, dass in keinem religiösen Bereich blinder Glaube von uns verlangt wird. Vielmehr lehrt uns der Qur'an, nachdenkend und aus innerer Überzeugung die Existenz und Einheit Gottes anzuerkennen, ebenso wie die anderen Glaubensartikel. Dabei werden wir stets erneut feststellen, dass die Glaubensgrundsätze durch logische Argumente nicht erschüttert werden können. Dies bestätigt auch der Orientalist Richard Hartmann, der über die Rolle des Verstandes in der islamischen Theologie schreibt: "Viel weiter kann der Rationalismus in der Theologie doch schwer getrieben werden." Und im Qur'an heißt es: "Wollen sie denn nicht über den Qur'an nachdenken? Wäre er von einem anderen als von Gott, sie würden gewiss viele Widersprüche darin finden." (Sure 4:82). Wo dem menschlichen Denken und Forschen so bedingungslos Tür und Tor geöffnet werden, kann eine den Wissenschaften gegenüber misstrauische Haltung nicht Fuß fassen, wie es im Christentum so viele Jahrhunderte lang der Fall war. Der Prophet Muhammad selbst hat immer wieder darauf hingewiesen, welche wichtige Rolle Wissen und Bildung im menschlichen Leben spielen. Hier einige seiner Ermahnungen: "Sucht das Wissen, selbst wenn es in China wäre." - "Das Streben nach Wissen ist eine heilige Pflicht für jeden Muslim, Mann oder Frau." - "Die Tinte des Gelehrten ist heiliger als das Blut des Märtyrers." - "Wer sein Heim auf der Suche nach Wissen verlässt, schreitet auf den Wegen Gottes."

Dass sich die Muslime diese Weisungen zu Herzen genommen haben, beweisen die vielen Zeugnisse, die nicht-islamische Denker von den hervorragenden Leistungen der Muslim-Wissenschaftler auf allen Gebieten ablegen. So schreibt Dr. John William Draper in seinem Buch "Geschichte der geistigen Entwicklung Europas": "Einer der bedauerlichsten Umstände in der Geschichte ist die systematische Art und Weise, auf die die europäischen Schriftsteller es fertiggebracht haben, aus unserem Bewusstsein zu tilgen, wie viel wir den Arabern auf wissenschaftlichem Gebiet zu verdanken haben." Der Marquis of Dufferin sagt in seinen "Vorträgen, gehalten in Indien": "Den muselmanischen Wissenschaften, der muselmanischen Kunst und der muselmanischen Literatur verdankt es Europa zu einem großen Teil, dass es sich aus den Klauen des 'Finsteren Mittelalters' befreien konnte." George Douglas Hamilton Cole meint in "Das Europa von heute - aus der Sicht des intelligenten Menschen": "Unter der muslimischen Herrschaft gab es weder Unterdrückung noch Rückständigkeit... Die Muslime waren von jeher Wissenschaft und Forschung zugetan... Es waren nicht Muslime, sondern christliche Mönche, die die Griechische Bibliothek in Alexandrien verbrannten." Und auch der bekannte Philosoph Bertrand Russel weist in seiner "Geschichte der Westlichen Philosophie" mehrfach darauf hin, dass sich "von Indien bis nach Spanien eine brillante islamische Zivilisation ausgebreitet hatte und blühte, während Europa vom 'Finsteren Mittelalter' umfangen war." Diese Zitate beweisen uns, dass wir zu Recht stolz sein können auf unser kulturelles Erbe. Gleichzeitig erlegen sie uns aber auch die Verpflichtung auf, uns dieses Wertes würdig zu erweisen.

Doch wie schon gesagt, kann man alle Glaubensartikel im Islam mit dem gesunden Menschenverstand erfassen. Auch der zweite Teil des fundamentalen Bekenntnisses zur Einheit Gottes, nämlich: "Muhammad ist der Gesandte Gottes" ist klar und eindeutig. Hier gibt es keine mystische Geheimniskrämerei. Der Prophet selbst wird im Qur'an aufgefordert, zu sagen: "Ich bin nur ein Mensch wie ihr; mir ist offenbart worden, dass euer Gott ein Einziger Gott ist. So seid aufrichtig Ihm gegenüber und bittet Ihn um Verzeihung." (Sure 41:6).

Die weiteren Grundpfeiler oder Säulen des Islams sind:
2. Das Gebet, das fünfmal täglich verrichtet werden soll.
3. Die Armensteuer, eine alljährlich zu entrichtende Vermögensabgabe, die zu sozialen Zwecken verwendet wird.
4. Das Fasten im Monat Ramadan. In diesem Monat verzichtet der Muslim täglich von Beginn der Morgendämmerung bis zum Sonnenuntergang auf Essen, Trinken, Rauchen und ehelichen Verkehr.
5. Die Pilgerfahrt nach Mekka, die all jene mindestens einmal in ihrem Leben unternehmen sollen, denen es ihre finanziellen Mittel und die Umstände erlauben.

Es fehlt uns hier leider an der Zeit, eingehender den Einfluss zu behandeln, den die Einhaltung dieser religiösen Pflichten auf den menschlichen Charakter ausübt. Wir werden dies zu einem späteren Zeitpunkt inschâ-Allâh nachholen und dann sehen, dass sie keineswegs Bürden darstellen, sondern sich vielmehr in jeder Hinsicht wohltätig und segensreich auf den Menschen auswirken.

Was unterscheidet den Islam vom Christentum? Nach oben



Es gibt eine Reihe wesentlicher Punkte, in denen sich der Islam ganz deutlich vom Christentum unterscheidet. So wird beispielsweise im Islam die Institution der Priesterschaft energisch abgelehnt. Es wird immer wieder betont, dass der Mensch keines Mittels bedarf, um zu Gott zu beten und Ihn um Hilfe zu bitten. Im Qur'an heißt es: Gott ist dem Menschen "näher als seine Halsschlagader" (Sure 50:16), und "Wo immer ihr euch hinwendet, da ist Gottes Angesicht" (Sure 2:115) oder an anderer Stelle: "Und Er (Gott) ist mit euch, wo immer ihr sein möget." (Sure 57:4). Zur Verrichtung des Gebets ist auch kein geweihter Platz notwendig; der Prophet hat einmal gesagt: "Die ganze Erde ist zu einer Moschee für uns gemacht." Wird das Gebet gemeinschaftlich verrichtet, so kann jeder, der richtig zu beten versteht, der Vorbeter oder Imâm sein, ohne dadurch eine besondere Stellung einzunehmen.

Wir Muslime glauben an Jesus Christus als einen der hervorragendsten aus der langen Kette der Propheten Gottes, und wir ehren und achten Maria, die Mutter Christi, doch schreiben wir beiden keinerlei göttliche Eigenschaften zu. Es wäre undenkbar und absolut unvereinbar mit dem strikten Monotheismus im Islam, wenn wir Jesus oder Maria anbeten oder ihnen irgendeine Mittlerrolle zuschreiben würden.

Ebenso wendet sich der Islam entschieden gegen die Lehre von der Erbsünde und vom Sühneopfer durch einen "Erlöser". Nach islamischer Auffassung kommt der Mensch mit reiner Seele zur Welt. Nur wer sich einer üblen Tat voll bewusst ist, wer wissentlich etwas nach göttlichen Maßstäben Böses tut, begeht eine Sünde. Doch ist er danach von aufrichtiger Reue erfüllt und bittet Gott inständig um Verzeihung, so darf er mit Seiner Gnade rechnen. Auch die Sünde, die Adam begangen hatte, wurde ihm von Gott verziehen. Im Qur'an heißt es: "Doch diejenigen, die bereuen und sich bessern und offen (die Wahrheit) bekennen, zu denen kehre Ich Mich mit Verzeihen, denn Ich bin der Vergebende, der Barmherzige." (Sure 2:160). Immer wieder weist uns der Qur'an auf diese wundervollste der göttlichen Eigenschaften hin, in der alle anderen eingeschlossen sind: "Und Meine Barmherzigkeit umfasst alle Dinge." (Sure 7:156). Dies besagt, dass sie auch die Gesetze der Belohnung und Bestrafung einschließt.

Wenn christliche Theologen behaupten, dem Islam fehle das Element der göttlichen Liebe, Allah sei ein Gott der Rache und der Willkür, so beweisen sie damit nur ihre eigene mangelnde Sachkenntnis. Im Qur'an finden wir den Vers: "Und sucht eures Herrn Vergebung, dann bekehrt euch zu Ihm. Wahrlich, mein Herr ist barmherzig, liebevoll" (Sure 11:90), oder: "Und Er ist der Verzeihende, der Liebreiche." (Sure 85:14). Leider fehlt es uns an der Zeit, hier die ganze Sure Ar-Rahmân (Sure 55, "Der Gnadenreiche") vorzutragen. Sie ist ein lebendiger Beweis für die unendliche Güte Gottes, für Seine grenzenlose Liebe zu Seinen Geschöpfen, mit der Er sie mit Seinen Wohltaten überhäuft. Lassen wir hier noch eine Muslima der Frühzeit des Islams, Rabia al-Adawiyya, zu Wort kommen, die sagte: "Oh mein Herr, wenn ich Dir diene aus Furcht vor der Hölle, so verbrenne mich darin. Wenn ich Dir diene in der Hoffnung auf Dein Paradies, so verbanne mich daraus. Aber wenn ich Dir diene aus Liebe zu Dir, so entziehe mir nicht Deine ewige Schönheit." Eine Religion, die zu solcher Liebe zu inspirieren vermag, kann selbst nicht hart oder lieblos sein.

Der Islam stellte und stellt noch bis heute eine permanente Revolution dar. Er befreite den Menschengeist aus der Umklammerung hemmender Traditionen und von den Fesseln des Aberglaubens. Er förderte freiheitliches Denken und persönliche Urteilsbildung. Und er betonte stets die enge Verbindung zwischen Gott und Mensch.

In der Geburtsstunde des Islams begann auch eine Revolution gegen überkommene Engstirnigkeit und Intoleranz. So finden wir im Qur'an den Vers: "Wahrlich, die Gläubigen (Muslime) und die Juden und die Christen und die Sabäer - wer immer (unter diesen) wahrhaft an Gott glaubt und an den Jüngsten Tag und gute Werke tut -, sie sollen ihren Lohn empfangen von ihrem Herrn, und keine Furcht soll über sie kommen, noch sollen sie trauern" (Sure 2:62) Oder: "Es ist kein Zwang im Glauben." (Sure 2:256). Finden sich im Alten oder Neuen Testament Verse, die dem Vergleich mit einem Konzept von derartiger Weitherzigkeit standhalten können? Im Islam dagegen ist eine solche Aufgeschlossenheit, eine so freiheitliche Einstellung der Gottesverehrung gegenüber geradezu eine Selbstverständlichkeit, denn wir Muslime erkennen alle Propheten Gottes an und verehren sie. Im Qur'an wird uns aufgetragen: "Sprecht: Wir glauben an Allah und was uns offenbart worden ist, und was Abraham und Ismael und Isaak und Jakob und (seinen) Kindern offenbart wurde, und was Moses und Jesus gegeben wurde, und was (allen anderen) Propheten von ihrem Herrn gegeben worden ist. Wir machen keinen Unterschied zwischen ihnen; und Ihm ergeben wir uns." (Sure 2:136). Aus diesem Grunde ist es dem Muslim auch durchaus gestattet, eine der christlichen oder jüdischen Religion angehörende Frau zu heiraten. Dabei wird ausdrücklich betont, dass der Frau die Ausübung ihrer Religion völlig freigestellt bleiben muss und dass der Mann kein Recht hat, sich in irgendeiner Form einzumischen. Was für ein krasser Gegensatz zur christliche Einstellung diesen Dingen gegenüber. Von einem gewissen Pastor Pfannschilling stammen die Worte: "Ich würde mir nur eine evangelische Frau heiraten."

Heiliger Krieg Nach oben



Sehr viele Menschen im westlichen Kulturkreis sind auch heute noch der Meinung, der Islam sei mit Feuer und Schwert verbreitet worden. Tatsache jedoch ist, dass der islamische Dschihad ein reiner Verteidigungskrieg ist, den zu führen Muslimen nur gestattet ist, wenn ihre religiöse Freiheit auf dem Spiel steht. Glaube und Freiheit sind die teuersten Dinge für den Menschen, sie sind heiliger als sein Leben. Wenn diese Werte angegriffen werden, so ist es sein natürlichstes Recht, sie zu vereidigen.

Im Jahre 628 n.Chr. überbrachte ein Gesandter aus dem Gefolge des Propheten dem chinesischen Kaiser Tai-Tsung Geschenke und erhielt von ihm die Erlaubnis, den Islam in China zu verbreiten. Seit dem Jahre 700 n.Chr. gibt es in Schantung Moscheen. Millionen von Muslimen leben in Indonesien und Malaysia, in Indien, Pakistan und Bangladesch. Wann sind je Muslime mit dem Schwert dort hingekommen? Wer zwingt heute die Afrikaner, den Islam anzunehmen? Und doch werden ständig Pressestimmen laut, wie etwa die der Wetzlarer Neuen Zeitung, die unter dem Titel "Der Islam auf dem Vormarsch" schreibt: "Im Kampf um die Seele erweist sich der Islam derzeit als der große Sieger." Überdies, wäre der Islam eine Religion des Schwertes, so gäbe es gewiss in den von ihm eroberten Ländern bis zum heutigen Tage keine Christen mehr.

Wer dem Islam den Vorwurf der Gewalttätigkeit macht, sollte erst einmal in der Geschichte nachlesen. Wieviel Blut ist für die Ausbreitung des Christentums zur Zeit Konstantins und später durch die Bekehrung der Sachsen, durch Karl den Großen, vergossen worden? Wieviel Blut ist geflossen bei den von den Päpsten geschürten Kreuzzügen und bei den Religions- und Konfessionskriegen zwischen Katholiken und Protestanten? Wie viele unschuldige Leben sind durch die Inquisitionstribunale ausgelöscht worden? Doch wenn wir gerecht sind, müssen wir zugeben, dass sich auch unter den Christen Leute befanden, die gegen jedes Blutvergießen waren. Es wäre falsch, zu unterstellen, dass das Christentum eine "Religion des Schwertes" sei.

Die Stellung der Frau im Islam Nach oben



Ein anderer im Westen weit verbreiteter Irrtum ist, dass die Frau im Islam eine sehr gering geschätzte, untergeordnete Stellung einnehme. Dabei ist nach unserer Auffassung genau das Gegenteil der Fall. Auf die der Verkündigung des Islams vorausgegangene Zeit der völligen Entwürdigung der Frau in einer durch und durch verdorbenen Umwelt folgte auch in dieser Beziehung eine nahezu unglaubliche Reform. Die Frau wurde dem Mann völlig gleichgestellt; sie war von da an geehrt und geachtet, ihre Würde war unverletzlich. Der Prophet sagte: "Die Frauen sind die Geschwister der Männer", und weiter: "Der Himmel liegt zu den Füßen der Mütter." Im Qur'an heißt es: "Und unter Gottes Zeichen ist dies, dass Er Gattinnen für euch schuf aus euch selber, damit ihr Frieden in ihnen findet, und Er hat Liebe und Zärtlichkeit zwischen euch gesetzt. Hierin sind wahrlich Zeichen für ein Volk, das nachdenkt." (Sure 30:21). Gibt es etwas Schöneres für eine Frau, als das Bewusstsein, dass ihr Gatte Frieden in ihr findet? Natürlich unterscheidet sich das Leben der Frau in einer islamischen Familie wesentlich von dem einer westlich-emanzipierten Frau, denn der Islam tritt für eine Arbeitsteilung der Geschlechter ein, was ja im Grunde genommen auch der Natur des Menschen entspricht. Der Mann soll für Lebensunterhalt und Sicherheit der Familie sorgen, also die Aufgaben außerhalb des Heims wahrnehmen. Die Frau dagegen soll sich in aller Ruhe um ihren Mann, die Kinder und den Haushalt kümmern können. Der Prophet sagte: "Die Frau ist die Herrscherin über das Haus ihres Gatten und die Kinder." Das vor allem bedeutet Glück für eine Frau, wenn sie für ihre Familie da sein kann und ihr Leben mit den häuslichen Aufgaben ausgefüllt ist, und nicht das Wettrennen mit dem Mann im Berufsleben, das nur allzu leicht eine Einbuße ihrer Weiblichkeit mit sich bringt. Außerdem gibt es eine Vielzahl von Berufen, die der Frau offenstehen - wie etwa das Lehrfach und die Krankenpflege - und die ihrem Wesen weit besser entsprechen als Aufgabenbereiche, in die sie sich vielleicht hinein drängt, nur um die "Gleichstellung" mit dem Mann zu erreichen, die doch in Wirklichkeit überhaupt nichts Erstrebenswertes ist, ja ihr eigentlich nur Nachteile bringen kann.

Wir Muslime empfinden es geradezu als abwegig, die Frau in den harten Lebens- und Berufskampf zu stellen. Man mag einwenden, in Europa und Amerika sei das Gegenteil bewiesen worden, aber hier geht es nicht darum, ob das Gegenteil des islamischen Ideals möglich ist oder nicht. Vielmehr geht es um die Frage, ob sich eine widernatürliche Lebensweise, und mag sie nach außen hin noch so sehr durch Erfolge wie industriellen Fortschritt und technische Errungenschaften glänzen, zum Segen oder zum Verderben der Menschheit auswirkt. Was wirklich zählt ist doch der Mensch und nicht die glitzernde Fassade der Zivilisation. Prof. Hans Opitz schreibt in seinem "Handbuch der Kinderheilkunde": "Die Bewegung der Emanzipation führte außerdem spontan zu einem Versagen vieler Frauen gegenüber ihrem biologisch gegebenen Auftrag im Dasein der Menschheit." Und Prof. Cyril Joad meint in der Zeitschrift Variety vom 1. Dezember 1952: "Ich glaube, dass die Erde ein weit glücklicherer Aufenthaltsort wäre, wenn sich die Frauen damit zufrieden geben würden, sich um ihr Heim und ihre Kinder zu kümmern, selbst wenn damit ein etwas geringerer Lebensstandard in Kauf genommen werden müßte."

Das Gesetz Gottes (am Beispiel Alkoholverbot) Nach oben



Dies alles, die allgemeine Unordnung in der Welt von heute, die ständige Unruhe und Angst, der echte Friede, nach dem wir alle uns so vergeblich sehnen, führt uns vor Augen, wie entsetzlich fehlbar wir Menschen sind, wie uns die von Menschen erdachten Gesetze oft nur noch näher an den Abgrund heranführen. Solange wir uns nicht darüber klar werden, dass wir wahren Frieden nur erreichen können, wenn wir uns einem unfehlbaren Gesetz, nämlich dem Gesetz Gottes, unterwerfen, wird die Unordnung höchstens noch größer werden. Da hilft die schönste Demokratie nichts, denn auch sie ist ja reines Menschenwerk, die "Herrschaft des Volkes". Sehen wir uns dazu ein Beispiel an:

Im Jahre 1919 wurde in den USA, zu denen damals 46 Bundesstaaten gehörten, einstimmig ein Gesetz über das Alkoholverbot erlassen. Das Volk entschied also damals, dass Alkohol von Übel ist, und zog daraus die logischen Konsequenzen. Doch was geschah? Es wird geschätzt dass zwischen 1919 und 1925 65 Millionen Dollar für Alkohol ausgegeben wurden. Zwischen 1920 und 1933 wurden 200 Personen getötet und 500 000 verhaftet, weil sie gegen das Alkoholgesetz verstoßen hatten. Vor dem Verbot gab es ca. 400 Alkoholfabriken, in einem Zeitraum von sieben Jahren nach dem Verbot wurden 80 000 Alkoholfabriken aufgespürt. Im Jahre 1918 starben in New Yorker Kliniken 252 Personen an den Folgen von Alkoholgenuss, 1927 dagegen waren es 7000. Der damalige Präsident des "National Crime Council", Mr. Moss, stellte fest: "Es ist so weit gekommen, dass jeder dritte Amerikaner Verbrechen verübt. Die Zahl der Morde ist um 300 Prozent angestiegen." - Im Oktober 1933 entschied dasselbe Volk, dass Alkoholgenuss wieder erlaubt werden sollte.

Gehen wir nun aber einmal 1400 Jahre zurück in die arabische Wüste, in ein Land, wo zu jener Zeit nur einer von 10 000 Einwohnern lesen konnte. Dort war damals der Alkohol überaus beliebt. Auf Arabisch gibt es 25 Namen allein für Alkohol, was wohl keine andere Sprache von sich behaupten kann.

Damals empfing der Prophet die Offenbarung: "Sie befragen dich über Wein und Glücksspiel. Sprich: In beiden liegt großer Schaden und auch (einiger) Nutzen für die Menschen; doch ihr Schaden ist größer als ihr Nutzen!" (Sure 2:221). Das war noch kein Verbot. Trotzdem genügte es für manche Gläubige, fortan den Alkohol zu meiden. Einige Zeit später folgte der Vers: "Oh ihr, die ihr glaubt, naht nicht dem Gebet, wenn ihr nicht bei Sinnen seid, bis ihr wisst, was ihr sprecht." (Sure 4:43). Das also war ein zeitliches Verbot. Niemand sollte zur Zeit des Gebets etwas trinken. Und schließlich folgten die Worte: "Oh ihr, die ihr glaubt! Wein und Glücksspiel und Götzenbilder und Lospfeile sind ein Abscheu und ein Greuel, ein Werk des Satans. So meidet sie allesamt, damit es euch wohl ergeht. Der Satan will durch Wein und Glücksspiel nur Feindschaft und Hass zwischen euch erregen, um euch so vom Gedanken an Allah und vom Gebet abzuhalten. Doch werdet ihr euch abhalten lassen?" (Sure 5:90-91).

In den Überlieferungen finden wir den Ausspruch eines Muslims mit Namen Anas: "Wir haben zusammengesessen und gegessen und getrunken. Ich bot den Muslimen Alkohol an, als ein Gläubiger gelaufen kam und rief: 'Gott hat den Alkohol verboten!' Da haben wir unsere Weinfässer auf die Straße entleert." Und ein anderer Muslim erzählte: "Als uns der Alkohol verboten wurde, hatte ich das Glas an meinen Lippen. Das war jedoch der letzte Schluck Alkohol, den ich in meinem Leben zu mir nahm!"

Vor unseren Augen stehen also zwei verschiedene Versuche der Gesetzgebung: Ein menschlicher, in unserer "aufgeklärten" Zeit, und ein göttlicher, vor mehr als tausend Jahren.

Dem Propheten wurde aufgetragen: "Rufe auf zum Weg deines Herrn mit Weisheit und schöner Ermahnung, und streite mit ihnen auf die beste Weise. Wahrlich, dein Herr weiß am besten, wer von Seinem Weg abgeirrt ist; und Er kennt am besten jene, die rechtgeleitet sind." (Sure 16:125). Wer den Qur'an ohne Voreingenommenheit zur Hand nimmt, wird bald entdecken dass sich darin keine Weisungen und Gebote finden lassen, die dem natürlichen Empfinden des Menschen für das, was gut und richtig ist, entgegenstehen. Das allein ist schon ein Beweis für den göttlichen Ursprung dieses Heiligen Buches. Wie also ist es nur möglich, dass die Menschen lieber die schlimmen Leiden, die sich ihnen als unabwendbare Folge einer weltlich-fehlbaren Gesetzgebung aufbürden, in Kauf nehmen, anstatt sich dem einzig natürlichen Gesetz, nämlich dem Willen Gottes, zu unterwerfen, der ihnen nur zu ihrem Wohle gereichen kann?

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