Dschalaluddin Rumi
mvlana-a.gif (34078 Byte) Leben und Werk faszinieren bis heute mvlana-a.gif (34078 Byte)

Dschalaluddin Rumi ist bekannt für seine Poesie der Liebe. Es ist die Liebe der Sehnsucht, des Zustandes des alastu-bi-rabbikum (d.h. "Bin Ich nicht euer Herr?", womit Allah taala die gesamte Menschheit anspricht, als die Seelen vor Allah versammelt waren und alle antworteten mit bala - Ja!" (Quran: al-Araf, 172): der Zustand von Männern und Frauen, denen im Inneren permanent bewußt ist, woher sie kommen - von ihrem Herren - und ein dauerndes Verlangen haben, in ihre Heimat zurückzukehren. "Hör auf das (abgeschnittene) Schilfrohr," sagt Rumi zu Beginn seines großen Gedichtes - des Mathnawi - "denn es erzählt seine eigene Geschichte, es beklagt seine Getrenntheit." Hier bedeutet das Schilfrohr die Rohrflöte, die den Gesang des Schilfes, von dem sie stammt, weitergibt; aber es ist auch Rumis Gleichnis der Menschen: ihrer physische Form, solange sie auf der Erde sind, entspricht der des Schilfes, und die, die sich ihrer eigenen göttlichen Quelle gegenwärtig sind, sind jene, die die Musik machen. Ihre Musik ist ihre Erinnerung, ihr Dhikr, aber es sind auch ihr Leben und ihre Handlungen, die sie mit ihrem Bewußtsein von der Göttlichkeit in Einklang bringen wollen.


Rumi als Konsumgut

Rumi wurde von den verschiedensten spirituellen Gruppen des Westen genommen und zu einem Symbol falscher konsumorientierter, d.h. privater Religiosität, gewendet. Die drehenden Mevlevis, die eigentlich die Nähe Allah durch die zentrifugale Kraft des drehenden Tanzes suchen, der durch die Flöte und den Dhikr begleitet wird, wurden zu einem Clip des Euro-News-Kabalkanals degradiert. Sie werden zu Propagandazwecken in den staatlichen türkischen Tourismusbroschüren benutzt, sie wurden zu wenig mehr als professionellen Tanzzwecken benutzt, um auf den Bühnen der Welt die gelangweilte Intelligenz zu unterhalten.

Es ist ironisch, daß die Neue-Welt-Ordnung die sufischen Orden Rumis zu ihren Freunden erklärt. Die sufischen Gemeinschaften (Tariqats) sind in Wirklichkeit die einzigen nicht-integrierbaren Lebensformen, die die Neue-Welt-Ordnung herausfordern können.

In den dunkelsten Tagen des Kommunismus beklagten sich die russischen Behörden, daß die sufischen Gemeinschaften die einzigen waren, die nicht in die Staatsstrukturen integrierbar - und somit kontrollierbar - waren. Die sogenannten Derwische in den Theatern von New-York, Paris und London standen traditionell immer unter der Führung eines Sufi-Schaikhs und diese Sufi-Schaikhs waren per Definiton Schaikhs des äußeren und des inneren Wissens. Es gibt erst seit einigen Jahrzehnten den Versuch der Orientalisten und anderer, eine Mystik zu schaffen, getrennt vom islamischen Recht, mit der Aussage, die Haqiqat könne ohne die Schariat existieren.


Der "Dscham" - die Einheit mit Allah in der Sprache der Sufis macht nur Sinn mit der Akzeptanz und der Fähigkeit des Umganges (im Sinne von Handlungen) mit dem "Farq" - die Trennung der Menschen in der erscheinenden Vielfalt der Schöpfung.


Schariat und Haqiqat

Dschalaluddin Rumi wurde in Balkh, im heutigen Afghanistan, im Jahre 1207 - an der Grenze zu den modernen Staaten Usbekistan und Tadschiskistan im Norden und Turkmenistan im Westen - geboren. Wie sein Vater Bahauddin Walid war er ein gelehrter Professor in einer angesehen Madrassa, die selbst Teil eines größeren Moscheenkomplexes war. Er war gebildet im Arabischen, gut im Halten der Khutba (Freitagspredigten), er lehrte Quran und Quran-Kommentar und war bekannt für sein Aufrechterhalten der Regeln der Schariat. Er war - kurz gefaßt- jemand, der in unserer Zeit, wenn nicht gar als Fundamentalist, so doch als sehr strenger und geradliniger Muslim angesehen würde.


Es ist schwerlich hilfreich, Maulana Rumi als einen Mystiker zu bezeichnen, da seine Lehren einen Körper des Wissens über die menschlichen Zustände formen, die trotz ihrer poetischen Form sowohl systematisch als auch wissenschaftlich sind.

Wie kommt es dann, daß er zu diesem leerem Symbol wurde? Es ist derselbe Prozeß, durch welchen Wagners Musik in ein Konsumprodukt verwandelt wurde und seine Lehre - die für Wagner das wichtigste war - unterdrückt wurde.

Für Rumi gab es nur ein Ziel; die Anbetung Allahs. Er hatte als Lehrer auch andere Ziele, aber diese waren mit dem höherrangigen verbunden - als Lehrer war er damit beschäftigt, Männer und Frauen mit verschiedenem Wissen zu erziehen. Es gibt so viele Wege zu Allah, wie es Männer und Frauen gibt, und zu jedem muß in der Sprache gesprochen werden, die er/sie versteht. Rumi schmiedete seine Verse vorsichtig, so daß er jedes erreichbare menschliche Geschöpf ansprechen konnte. Aber sein Ziel war es immer, die Zuhörer - wie einfach sie auch sein mögen - zu einem höheren Verstehen zu bringen.
An keiner Stelle seiner Dichtung wird die Schariat in Frage gestellt; im Gegenteil wird von hunderten seiner Gedichte deutlich, daß spirituelles Wissen unmöglich ist, ohne die Fundierung in der Schariat. Die Schariat sichert die grundlegende Reinigung von Mann, Frau und der Gesellschaft, ohne die jeglicher spiritueller Fortschritt nicht erreichbar ist. Imam Ghazzali, der Lehrer für Islamische Wissenschaften an der Universität von Baghdad war, legte seinen Posten und seine soziale Postition ab und wurde ein Derwisch. Obwohl er ein Sufi wurde, wies er niemals die Schariat zurück; mehr noch: Er wurde zu einem noch leidenschaftlicheren Verteidiger des Rechtes und war in der Lage, das enorme innere Wissen des Derwisch-Seins aufzunehmen, indem er dieses neue Wissen in Bezug und Verbindung setzte zu dem großen Meer des äußeren Wissens, in welchem er gelehrt war.

Rumi war bekannt dafür, daß er in der Lage war, Rechtsurteile abzugeben, während er sich im drehenden Tanz befand - dies ist kein Zeichen, daß das der normale Ort für Rechtsurteile ist, aber eine Hinweis für den Grad an Nüchternheit, den er mit der Trunkenheit des Tanzes kombinieren konnte.

Als der Qadi Ibn Ruschd - Autor des Bidajat al-Mujtahid, einer Zusammenfassung der Wissenschaften der Schariat - Ibn al-Arabi traf, erkannte der erste die größere Weite seines Zeitgenossen an. Es ist wichtig zu erkennen, daß beide Männer nüchterne und respektierte Mitglieder der höheren Gesellschaft Cordobas waren. Wir dürfen nicht den ignoranten und unverantwortlichen Fehler der modernen Gesellschaft wiederholen, indem wir einzelne Teile des Daseins oder Wissens der Menschen (z.B. der Tanz Rumis) über andere herausheben, ohne den sozialen Kontext, aus dem diese Charakteristika stammen, zu erkennen. Rumi würde die Männer, die seinen Tanz auf der New Yorker Bühne aufführen, sicherlich kaum wiedererkennen. Man kann keine Teile - wie Schlagworte - aus dem Mathnawi nehmen, da Rumi eine Lehrmethode hatte, die ein einheitliches Ganzes bildeten. Das Mathnawi ist ein Gewebe, ein Teppich; häufig beginnen eins, zwei oder drei Geschichten und nur mit der vierten Geschichten wir die erste abgeschlossen. Das Mathnawi ist dem Quran nicht unähnlich in Bezug auf die inander verwobene Einheit. Rumis Vater - möglicherweise bewußt der Bedrohung durch eine mongolische Invasion, die bald Balkh zerstören würde - wanderte mit seiner Familie zuerst nach Chorassan in Ostpersien, dann Syrien und schließlich nach Mittelanatolien - dem alten Rum - in den frühen zwanziger Jahren aus. Die Familie siedelte sich am Anfang in Laranda (dem heutigen Karaman) an, zog dann aber nach Konya um. Dieses war die Hauptstadt des Seldschuken Sultanats, wo sein Vater eingeladen wurde, in einer der vielen Madrassas zu unterrichten.


Schamsuddin Täbrisi

Es war im Jahre 1244 als Rumi Schamsuddin Täbrisi begegnete. Als Ergebnis dieses Treffens wurde sein äußeres Wissens des Fiqh, Tafsir und Aqida, mit dem er sich hauptsächlich beschäftigte, ungewandelt in ein Feuer des spirituellen Wissens, und er begann eine große Anzahl persischer Gedichte zu schreiben. Als Resultat dieser Treffen brach er alle gewohnten sozialen Kontakte ab und vernachlässigte seine Studenten für eine Dauer von zwei Jahren. Schamsuddin wurde zum Schluß von aufgebrachten Studenten und der Stadtbevölkerung gezwungen zu fliehen. Rumi schaffte es, ihn für eine Weile zurückzubringen und verheiratet ihn mit einem Mitglied seines Haushaltes, wiederum verschwand Schamsuddin und wurde getötet. Was auf jeden Fall klar wird aus Rumis vorübergehender inneren Turbulenzen ist der Fakt, daß er ohne die Grundlage der Schariat und der Wissenschaften von der Schariat nicht in der Lage gewesen wäre, die intensive innere Erfahrung zu verstehen und zu überstehen.

Das er aus diesem Rausch einen Sinn finden konnte, belegen die Gedichte, die er trotz seiner Trunkenheit in feinster persischer Metrik schreiben konnte. In den wildesten Gleichnissen der allesverzehrenden Liebe ist die Wissenschaft der Schariat in seinen Gedichten immer gegenwärtig als die Markierungen des Festlandes, welches er zeitweise verlassen hatte. Sein Mathnawi ist voll von Ayats des Qurans, Hadithen des Propheten, Friede sei mit ihm, und reich am Wissen der Sira und des Lebens der Gefährten.


Rumi, Stadtgeschichte und die Osmanen

Rumis Biograph - Faridun Sipahsalar - sagt, daß Rumi nach seinem anfänglichen Rückzug aus der Gesellschaft wieder zurückkehrte und seine hohe Stellung in der Konyaer Geselschaft wieder aufnahm. Er widmete viel Zeit dem Fasten und dem Gebet, trotz seiner dauernden Schaffung von berauschten Gesängen und Tänzen. Die Armen, die Reichen, die Händler und die politisch Mächtigen zollten ihm großen Respekt in Erkenntnis seiner Weisheit. Er war nicht - und das ist klar - ein armer Derwisch im Sinne der modernen Medien, aber er war ein Mann von Allah, voll engagiert in allen Aspekten des Lebens. Er gründete Schulen und war konstant zur Verfügung derer, die Rat oder materielle Hilfe suchten; er wurde zum angesehensten Bürger der Stadt.

Muinuddin Parwana, der machtvolle Minister, besuchte ihn zu verschiedensten Gelegenheiten; es wird überliefert, daß Rumi ihm gesagt hätte, als dieser um Rat fragte: "Ich hörte, daß du den Quran auswendig lernst und daß du Hadithe des Propheten von Schaikh Sadruddin nimmst (ein Student Ibn al-Arabis, der auch in Konya lebte)?". Nachdem Parwana dies bejahte, sagte Maulana Rumi: "Wenn das Wort Allahs und die Aussagen des Propheten keinen Eindruck auf dich machen, was soll Ich dann sagen."

Seine Tariqat war eine kultivierte und untrennbar verbunden mit dem städtischen Leben. Die Gemeinschaft und ihre Lehren wurden schnell zu einem Modell, welches von den Osmanen in ihren höchsten künstlerischen, sozialen und politischen Kreisen angenommen wurde. Es war ein Modell vom Sultan bis zum einfachen Bürger, ein Brennpunkt für Musiker, Dichter, Tänzer und Kalligraphen, vereinigt in ihrer Anbetung Allahs und der Liebe zum Gesandten, Friede sei mit ihm, durch die Lehre von Rumi. Die Dynamik und Kraft der Osmanen kam aus dieser Tariqat. Obwohl die hochrangigen Männer oft von den Angelegenheiten der Welt zu belastet waren, um sich vollständig der Lehre Rumis zu widmen, fanden sie Inspiration und Erfrischung in der Gegenwart der drehenden Derwische.


Die authentische Lehre Rumis heute

Das wirkliche - übermittelt durch Rumi - lebt, trotz aller medialen Verdrehung, weiter. Weil er ein Schaikh war und weil er Schüler hatte und weil die große Mehrheit dieser Schüler Adab - eine spirituelle Höflichkeit - hatten, hat der wahre und reine Strom der Übermittlung ungeachtet aller Abirrungen überlebt. Der Meister des spirituellen Tanzes dieser Wissenschaft lebt und lehrt mit seinen Derwischen in Südafrika; sein spirituller Meister und Schaikh lebt in Schottland. Der Schaikh ist ein furchtloser Vereidiger der Schariat; das Tanzen Rumis ist ein Mittel - ein Mittel, um die Menschen in den höheren Aspekte des Din zu unterrichten, und der Din ist ein Mittel des Wissens und der Anbetung von Allah.

Quelle: Islamische Zeitung

 

@ Ekrem Yolcu

arrow1b.gif (1866 Byte)