Islamische Zeitung, 19.10.2004:
Hintergrund: Die Tarawih-Gebete
Ein besonderes Gebet fördert das
Gemeinschaftsleben
Ein Monat mit besonderen Verhaltensweisen:
der Ramadan. Gemeinsames Fastenbrechen, Einladungen und das gemeinsame Gebet machen die
besondere Atmosphäre dieses Monates aus. Die Tarawih-Gebete im Fastenmonat Ramadan werden
von den Muslimen wegen ihrer dichten Atmosphäre und der besonderen spirituellen Erfahrung
hochgeschätzt und das ganze Jahr über erwartet. Das Gebet findet in beinahe allen
größeren Moscheen in Deutschland statt. Nach dem Fastenbrechen geht man in die Moschee,
betet dort das Nachtgebet (Salatul Ischaa, türk. Yatsi Namazi), und im Anschluss
daran wird das Tarawih-Gebet verrichtet.
Die gemeinschaftlichen Tarawih-Gebete gehören zur Sunna des Propheten, sind also
freiwillige, verdienstvolle Handlung. Diese Tarawih-Gebete müssen nicht in der Moschee
verrichtet werden, sondern können auch zu Hause, allein oder mit der Familie, gebetet
werden. Doch ist, wie auch generell, das gemeinschaftliche Gebet besser und segensreicher,
und es wird zu den Sunnan des Ramadan gezählt, das Tarawih in den Moscheen in
Gemeinschaft zu beten. Das Tarawih-Gebet ist das einzige Sunna-Gebet, das in Gemeinschaft
verrichtet wird. Der Prophet, Allahs Segen und Friede auf ihm, selbst betete es mal in
Gemeinschaft und mal allein, um es nicht als ein Pflichtgebet erscheinen zu lassen.
Nach den vier sunnitischen Rechtsschulen beträgt die Zahl der Gebetseinheiten des Tarawih
20 Rakat, was in der Zeit des Khalifen Umar eingeführt wurde. In der malikitischen
Rechtsschule sind auch 36 Rakat üblich, was auf den Khalifen Umar ibn Abd Al-Aziz
zurück geht und dadurch zur Praxis in Medina wurde. In vielen arabischen Moscheen werden
heute jedoch lediglich acht Gebetseinheiten verrichtet. Zudem werden die 20
Gebetseinheiten in türkischen und anderen hanafitischen Moscheen, etwa bei den Bosniern,
in der Regel mit fünf mal vier Rakat gebetet; in den anderen Rechtsschulen sind es
zehn mal zwei Rakat.
Im Anschluss an das Tarawih-Gebet wird noch das Schafi und Witr-Gebet verrichtet.
Oft wird im Laufe des Fastenmonats bei den Tarawih- Gebeten einmal der gesamte Quran
von Anfang bis Ende zu rezitiert. Dadurch werden auch die einzelnen Gebetseinheiten
relativ lang, zumindest ist dies in den arabischen Moscheen häufig der Fall. In den
türkischen Moscheen sind diese in aller Regel kürzer. Zwischen den Gebeten werden oft
gemeinsam Lobpreisung und Segenswünsche auf den Propheten, Allahs Segen und Friede auf
ihm, rezitiert. Meistens findet auch ein täglicher Lehrvortrag statt, der in der Regel
aus erklärenden Ausführungen (Tafsir) der an dem jeweiligen Abend rezitierten Abschnitte
des Quran besteht. Das Wort Tarawih kommt von der selben Wurzel wie das Wort Ruh,
Geist, und wird daher auch mit der Bedeutung von Vergeistigung übersetzt, was auf die
hohe spirituelle Bedeutung dieser zusätzlichen Gebete im Ramadan hinweist. Die
allabendlichen Tarawih-Gebete in der Moschee machen einen bedeutenden Teil der
Spiritualität und der besonderen Atmosphäre des Ramadan aus.
Quelle: http://www.islamische-zeitung.de/home/artikel.cgi?nr=5071
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