Glaubensbekenntnisse im Koran und in der Theologie - 

Ilm-ul Kelam / Die Kelam-Wissenschaft

Referat von Erkan Erdemir (FAU-Universität, Islamwissenschaft)

 
I. Ilm-ul Kalam – Die Kelam-Wissenschaft

Ilm-ul Kalam ist die Wissenschaft, bei dem die Methodik des Argumentierens in Glaubensfragen durchgefürhrt wird, die als Dialektik (kalam) zu bezeichnen sind.

Die anfänglichen Begründer der Kelam-Wissenschaft waren die Mutaziliten im 9 Jahrhundert.

Sie verwendeten zum ersten mal griechische Begriffe in der islamisch- theologischen Diskussion. Sie hatten zwei Punkte in ihre Lehre eingeführt: Der erste Punkt ihrer Dogmas heißt tauhid, was als Monotheismus oder „Bewusstsein von der göttlichen Einheit“ übersetzt werden kann. Der mutazilitische tauhid besagt, dass Gottes Wesen einzig und unteilbar ist. Die Gott im Koran zugeschriebenen Eigenschaften (Attribute, arab. sifat) müssen, als identisch mit Gottes Wesen angesehen werden. Bedingt durch diese Lehre von den göttlichen Eigenschaften,  mussten sich die Mutaziliten für die Erschaffenheit des Korans entscheiden. Dieses Dogma wurde von den ulama’ scharf abgelehnt.

Der zweite Punkt des mutazilitischen Dogmas (adl, „Gerechtigkeit“) beschreibt das Verhältnis von Gott zum Menschen. Gott ist gerecht, Er wird die Menschen daher, nach Maßgabe der Taten der Menschen, für die dieser verantwortlich ist, belohnen oder bestrafen. Willkür ist für Gott undenkbar. Das Böse in der Welt ist durch den Menschen entstanden, der dafür verantwortlich ist, nicht etwa Gott. Wenn der Mensch für seine Taten verantwortlich ist , muss ihm eine Handlungsfreiheit zugestanden werden, d.h. das Wirken der göttlichen Allmacht muss auf dem Gebiet des menschlichen Handelns zumindest eingeschränkt werden.

Die im 9. und 10. Jahrhundert entstandenen Glaubensbekenntnisse (aqaid) der Sunniten, weichen in charakteristischen Punkten vom mutazilitischen Dogma ab. So wird in ihnen die Vorherbestimmheit aller Dinge durch Gott- also auch die aller menschlichen Handlungen- betont. Die Verantwortlichkeit scheint von geringer Bedeutung.

Der Gründer dieser Sunnitischen aqaid ist Abu l-Hasan al-Ashari (873-935). Ursprünglich Schüler des Mutaziliten al-Djubba’i (gest. 915) und  somit hervorragender Kenner der mutazilitischen Denkweise und Dogmatik. Er soll sich aus Veranlassung einer Disputation mit seinem Lehrer über die Zweckmäßigkeit der göttlichen Weltregierung mit diesem entzweit haben und seinen eigenen Weg gegangen sein. Al Ashari verwarf zwar die Inhalte mutazilitischen Denkens, bewahrte jedoch die mutazilitische Methodik des Argumentierens, die als Dialektik (arab. kalam) zu bezeichnen ist. Daß er somit nicht sein gesamtes mutazilitisches Erbe verleugnete, ließ ihn und seine Nachfolger lange Zeit in den Augen der sunnitischen ulama’ suspekt erscheinen.

In folgenden vier Hauptpunkten wandte sich al-Ashari gegen mutazilitische Auffassung:

  1. Er bekannte sich zur Unerschaffenheit des Korans.
  2. Die Mutaziliten nahmen alles was im Koran stand über die Eigenschaften Gottes wortwörtlich, wie z.B. „Hand Gottes“ (als eine Eigenschaft der Gnade). Al-Ashari setzte dagegen die Auffassung, die koranischen Aussagen (über die Eigenschaften Gottes) seien ohne Fragen nach dem Wie hinzunehmen.
  3. Die Mutaziliten sagten, dass die Gläubigen im Jenseits Gott nicht mit dem leiblichen Augen sehen würden. Al-Ashari beharrte auf der Anschauung von der Gottesschau mit den leiblichen Augen, aber wiederum im Sinne des „Ohne-Wie“.
  4. Die mutaziliten sprachen von einer Handlungsfreiheit und Verantwortlichkeit des Menschen. Al-Ashari sprach von der Schöpfung (halaq) der menschlichen Handlungen durch Gott und ihrer Aneignung (ikitsab) durch den Menschen aufgrund der jeweils nur während des Handelns bestehenden Handlungsbefähigung.

Hier wir ein Grundkonzept asharitisch-sunnitischen Denkens sichtbar: Die Schöpfung mit Einschluß des Menschen ist in jedem Augenblick unmittelbar „zu Gott“, wird in jedem Augenblick von Gott geschaffen.

 

II.  Die Glaubensbekenntnisse (arab. aqaid) im Koran

Islam ist kein neuer Glaube. Er ist dem Wesen nach dieselbe Botschaft und Rechtleitung, die Gott allen Seinen Propheten offenbarte. (Der Qu'ran: 3:84) "Sprich: Wir glauben an Gott und was auf uns herabgesandt ward, und was herabgesandt ward auf Abraham und Ismael und Isaak und Jakob und (seine Kinder) die Stämme, und was gegeben ward Moses und Jesus und den Propheten von ihrem Herrn. Wir machen keinen Unterschied zwischen ihnen, und Ihm sind wir ergeben."

 

Der Koran wurde in 23 Jahren herabgesandt. Davon 13 Jahre in Mekka und dann 10 Jahre in Medina. Generell behandeln die mekkanischen Versen die Glaubensinhalte (Iman) und die moralischen Eigenschaften (ahlak) der Gläubigen. Nach unserem Wissen wurden in Mekka 13 Jahre lang die Glaubensinhalte den Sahabiten (Gefährten von Muhammed) anvertraut.

 

Die Vorraussetzung um erst einmal ein Muslim zu werden ist die Aussprache des Glaubensbekenntnisses (Sahade).

Glaubensbekenntnis (Sahâda):

"Ich bezeuge: Es gibt keinen Gott außer DEM Einen Gott. Muhammad ist der Knecht und der Gesandte Gottes."

Neben diesem Glaubensspruch werden im Koran in verschieden Versen  die Glaubensartikel genannt. Folgende sind die Grundelemente des islamischen Glaubens:

In der Sure 4 (En-Nisa), Vers 136 steht es geschrieben:

"O ihr Gläubigen, glaubt an Gott und Seinen Gesandten und an das Buch, das Er auf Seinen Gesandten herabgesandt hat, und an die Schriften, die Er zuvor herabsandte. Und wer nicht an Gott und Seine Engel und Seine Bücher und Seine Gesandten und an den Jüngsten Tag glaubt, der ist wahrlich weit irregegangen."

Also wer an

1.     den Einen Gott

2.     Seine Engel

3.     seine offenbarten Schriften (Thora, Psalmen, Evangelien, Koran)

4.     seine Gesandten (Propheten)

5.     den jüngsten Tag und Auferstehung nach dem Tod

6.     die Vorherbestimmung von Gut und Böse

nicht glaubt, ist (damit vom rechten Weg) weit abgeirrt."

Rumpf und Ruder des Glaubens: "Ich glaube an Gott und an seinen Engel, seine Bücher, seine Propheten, an den Jüngsten Tag, die Vorherbestimmung, das Gute und Böse und an die Wiederauferstehung nach dem Tode." (Amentu billahi.....)

In einem Hadith berichtet von Abu Huraira heißt es: "Der Prophet, Allahs Segen und Friede auf ihm, ging eines Tages zu den Leuten hinaus, da kam ein Mann zu ihm und sagte: »Was ist Glaube?« Der Prophet erwiderte: »Der Glaube (Iman) ist, dass du an Allah, an Seine Engel, an die Begegnung mit Ihm, an Seine Gesandten und an die Auferstehung glaubst.« Der Mann fragte weiter: »Was ist Islam ?« Der Prophet sagte: »Islam ist, dass du Allah anbetest, Ihm nichts beigesellst, das Gebet verrichtest, die vorgeschriebene Zakah entrichtest und im Ramadan fastest.« Der Mann sagte: »Was ist Güte (Ihsan) ?« Der Prophet sagte: »Dass du Allah anbetest, als ob du Ihn sähst; denn, wenn du Ihn nicht siehst, so sieht Er dich doch.« Der Mann sagte: »Wann trifft die Stunde ein?« Der Prophet sagte: »Der Befragte ist diesbezüglich nicht wissender als der Fragende selbst. Was aber deren Vorzeichen angeht, so werde ich dir folgendes nennen: (Die Stunde ist nah,) wenn die Sklavin ihren eigenen Herrn gebärt, und wenn die ungebildeten Kameltreiber Hochhäuser bauen. Es gibt noch andere fünf Vorzeichen, die nur Allah kennt.« Darauf rezitierte der Prophet, Allahs Segen und Friede auf ihm: >Wahrlich, bei Allah allein ist die Kenntnis der Stunde ...< (Qur'an 31:34). Der Mann ging fort, und der Prophet verlangte, dass die Leute ihn zurückbringen, aber sie sahen ihn nicht mehr. Darauf sagte der Prophet: »Dieser war Gabriel! Er kam, um die Menschen in ihrem Glauben zu unterweisen.« Abu 'Abdullah (Imam Al-Bucharyy) sagte: »Er (der Prophet) machte all dies zum Bestandteil des Glaubens.«" (Bu 38). [SUN:4265]

Zu 1. Glaube an die Einheit Gottes

Der Islam erlegt den Menschen den Glauben an die Einheit und Oberhoheit Gottes, des Erhabenen Schöpfers, des Lenkers und des Erhalters des Universums auf. Es gibt niemanden, der Seine Macht und Autorität mit Ihm gemeinsam hat. Er ist allgegenwärtig und allwissend. Dieser Glaube befreit den Menschen von Ängsten und Aberglauben und macht sich seine Pflichten Gott gegenüber bewusst. Der Glaube muss in die Tat umgesetzt werden, denn Glaube allein genügt nicht. Der Glaube an den Einen, Einzigen Gott führt zum Betrachten der Menschheit als eine einzige Familie, die unter der allumfassenden Allmacht Gottes steht. Der Muslim glaubt an seine persönliche Verantwortlichkeit für seine Taten hier auf Erden, für die er am Jüngsten Tag Rechenschaft abzulegen hat. Jeder muss seine Bürde selbst tragen und niemand kann für die Sünde eines anderen Buße tun. Der Islam weist die Idee von einem auserwähltem Volk zurück und sieht im Glauben an den Einen Gott und in den guten Taten den einzigen Weg, der ins Paradies führt, somit besteht eine direkte Beziehung zwischen Mensch und Gott, ohne irgendeinen Vermittler. Sure 112: „1. Sprich: "Er ist Gott, der Einzige; 2. Gott, der Unabhängige und von allen Angeflehte. 3. Er zeugt nicht und ward nicht gezeugt; 4. Und keiner ist Ihm gleich." (112: 1-4)

Die wesentlichen Eigenschaften Gottes sind:

Zu 2. Glaube an die Engel

Im Koran in der Sure al- Baqara, Vers 285 steht geschrieben: 2:285 „Dieser Gesandte glaubt an das, was zu ihm herabgesandt wurde von seinem Herrn, und (also) die Gläubigen: sie alle glauben an Gott, und an Seine Engel, und an Seine Bücher, und an Seine Gesandten (und sprechen): "Wir machen keinen Unterschied zwischen Seinen Gesandten"; und sie sagen: "Wir hören, und wir gehorchen. Um Deine Vergebung, o unser Herr! und zu Dir ist die Heimkehr.

 

Engel sind hauptsächlich Wesen, die Gott loben und preisen. Im Auftrag Gottes bewachen und schützen sie auch die Menschen, verzeichnen deren Taten und sind für den Empfang der Seelen der Toten zuständig.

Wichtige Engel sind:

Zu 3. Glaube an die Heilige Schriften

Heilige Schriften vor dem Koran

Vor der Offenbarung des Koran gab es folgende Schriften echter Offenbarung:

  1. Die Tora = Pentateuch = fünf Bücher Moses
  2. die Psalmen Davids
  3. die Evangelien Jesu

Jedem Muslim ist es fard, an alle von Gott offenbarten Schriften, zu glauben.

 

4. Der Glaube an die Propheten bzw. Gesandten Gottes

Der erste Prophet war Adam und der letzte Muhammad. Er wird als letzter der Propheten gesehen, als Ende, Bekräftigung und Höhepunkt in der Reihe der Propheten. Neben Muhammad genießt vor allem Abraham bei den Muslimen hohes Ansehen, da Abraham der erste Monotheist war. Zwischen Adam und Muhammad  wurden zahlreiche Gesandten von Gott gesandt, deren Zahl nur Gott weiß. Im Koran kommen jedoch nur 25 Propheten mit den Namen vor. 

Für traditionsbewusste Muslime ist Muhammad nicht nur Sprachrohr Gottes, sondern auch Vorbild für den Muslim. Man nimmt an, dass Gott jede der Handlungen Muhammads von Irrtum bewahrte. So ist alles, was der Prophet tat, Teil seiner Sunna, seiner autoritativen Überlieferung: wie er mit Kindern umging, wie er das Fasten beendete, wie er sich die Zähne reinigte, wie er seinen Bart herrichtete, alles ist des Studiums und des Nacheiferns wert.

Zu 5. Der Glaube an den Jüngster Tag und Auferstehung nach dem Tod

2:62. „Wahrlich, die Gläubigen und die Juden und die Christen und die Sabäer - wer immer (unter diesen) wahrhaft an Gott glaubt und an den Jüngsten Tag und gute Werke tut -, sie sollen ihren Lohn empfangen von ihrem Herrn, und keine Furcht soll über sie kommen, noch sollen sie trauern.“

Nach dem Tode des Menschen nehmen Engel seine Seele in Empfang und bringen sie zu Gott. Dort findet ein Zwischengericht statt. Bei diesem Gericht wird die Seele nach Gott, dem Propheten, ihrer Religion und der Gebetsrichtung befragt. Aufgrund der Antworten wird dem Menschen das Paradies oder die Hölle angekündigt. Darauf folgt eine lange Wartezeit bis zum Endgericht. Nach Anbruch der Endzeit erfolgt eine allgemeine Auferstehung der Toten. Gott weckt die Toten auf und erscheint als Richter der Welt. Die Propheten werden als Zeugen über die Völker befragt, zu denen sie einst gesandt wurden. Die Gesandten und die Engel dürfen mit Erlaubnis Gottes Fürsprache einlegen. Dann spricht Gott sein Urteil aufgrund der Taten und des Glaubens der Menschen.

Die Höllenqualen für die Ungläubigen und Gottlosen sind fürchterlich. Das Paradies dagegen ist wirklich paradiesisch schön mit allem, was ein Menschenherz erfreut.

Nach dem Glauben der meisten Muslime werden alle, die die Einzigkeit Gottes bezeugen nach der Vergeltung für ihre Taten in einer Art Fegefeuer aus dem Feuer befreit. Keiner von den Gläubigen wird ewig im Feuer verbleiben, sondern wer auch nur ein Körnchen wahren Glauben im Herzen hat, wird aus dem Feuer errettet.

Zu 6. Der Glaube an die Vorherbestimmung von Gut und Böse

Sure 6:17. „Wenn Allah dich mit Unglück trifft, so ist keiner, es hinwegzunehmen, als Er; und wenn Er dich mit Glück berührt, so hat Er die Macht, alles zu tun, was Er will.

Gott ist der Erschaffer, deswegen weiß Er alles was auf der Erde passiert, denn Er hat alles vorherbestimmt. Diese Vorherbestimmung wird in der islamischen Terminologie als „qadar“ bezeichnet. Wenn die Zeit der Vorherbestimmungen eingetroffen ist, wir sie als „qaza“ bezeichnet.   Als Beispiel: Gott hat vorherbestimmt, dass ein Mensch geboren wird. Das ist qadar. Wenn dieser bestimmte Tag gekommen ist und der Mensch ist geboren, dann wird dies als qaza bezeichnet. 

Für die Muslime ist es auch Pflicht an diese Vorherbestimmung zu glauben.

@ Ekrem Yolcu

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