Meine Fahrt nach Mekka

Ein Muslim aus Hannover berichtet über seine Begegnung mit Mekka - Hadsch und Umrah als grundlegendes Erlebnis im Leben eines Muslims

Die fünfte Säule des Islam ist die Pilgerfahrt nach Mekka! Einmal in seinem Leben sollte ein Muslim wenigstens die große Pilgerfahrt, die Hadsch nach Mekka zum Hause Abrahams und nach Medina zur Moschee des Propheten, Friede sei mit Ihm, unternehmen.

Die Hadsch ist gebunden an verschiedene Auflagen:

1.) Derjenige, der die Hadsch durchführen will, muss Muslim sein, er muss gesund und fähig sein, die Hadsch unternehmen zu können, d.h. er muss finanziell dazu in der Lage sein, ohne sich dabei zu verschulden. Er muss sein Haus bestellt haben, d.h. er muss eine eventuell zurückbleibende Familie versorgt haben und ein gültiges Testament hinterlassen. Erst wenn all das geregelt ist, kann er sich auf den Weg machen. Frauen können die Hadsch nicht alleine durchführen. Es muss immer ein männlicher Verwandter dabei sein.

2.) Man kann die Hadsch nur im Monat Dhul'Hidschra, welches der 12. Monat des islamischen Jahres ist, durchführen und ist damit während der Hadsch an feste Riten und Vorraussetzungen gebunden, ohne die die Pilgerfahrt gar nicht gültig wäre und deren Erfüllung dem Muslim helfen soll, das religiöse Bewusstsein zu erreichen, das der Bedeutung dieser Reise zu den Heiligen Stätten des Islam angemessen ist.

Man kann natürlich, wenn man Muslim ist, das ganze Jahr über die Heiligen Stätten besuchen, ein solcher Besuch gilt dann als kleine Pilgerfahrt, "Al-Umrah" genannt. Eines ist jedoch sowohl bei der Hadsch als auch bei der Umrah gleich, man trifft Brüder und Schwestern aus allen Erdteilen, und egal, ob groß, ob klein, hoch oder niedrig, arm oder reich, ob aus Süd oder Nord, Ost oder West, alle tragen während der Pilgerzeit den Ihram, ein Gewand aus zwei ungesäumten Tüchern, weiß, und einer gleich dem anderen, denn vor Allah sind wir alle gleich.

Diese zwei Tücher symbolisieren gleichzeitig die Leichentücher, in die man gehüllt wird, wenn man gestorben ist, wir nehmen nichts mit von dieser Welt, außer unseren guten Taten! Jede gut absolvierte Pilgerfahrt bringt einen in den Zustand eines Neugeborenen, frei von Sünden, man beginnt also ein völlig neues Leben.

In der Pilgerzeit, in der man nicht streiten darf, in der niemand verletzt werden darf, auch nicht mit Worten, in der man sich nur um sich selbst und um sein Seelenheil kümmern soll, und um das seiner Mitmenschen, ist man eingebunden in eine weltweite Gemeinschaft von Gläubigen, die alle nur ein Ziel haben, eine erfolgreiche Pilgerfahrt zu vollenden!

Im Schabaan 1412 / Februar 1992, zwei Jahre nach meinem Eintritt in den Islam, ein halbes Jahr nach meiner Beschneidung, mit 35 Jahren bin ich dann zu meiner ersten, und ich hoffe und bete, dass noch weitere folgen werden, Umrah aufgebrochen.

Schon die Anreise über Dschidda nach Medina, wo wir, zwei Freunde aus Marokko und ich, die erste Woche verweilten, war ein Traum. Wir hatten uns in ein Hotel genau gegenüber der Moschee des Propheten eingemietet und konnten von dort aus immer pünktlich zum Gebet sein.

Wir haben außerdem die Moscheen Quba, Quiblatin und Dschumma besucht und einen Abstecher nach Uhud zum Grab von Hamza unternommen. Hatten wir für Medina eine Hotelvorbuchung vorgenommen, so galt das für Mekka nicht. Wir fuhren mit einem Taxi einfach drauflos. Die Karawanenstraße von einst ist heute eine zum Teil 6-8spurige Autobahn, doch die Reise war wunderschön. Es hatte in der Nacht zuvor geregnet und die Wüste blühte zum Teil in den buntesten Farben. Zu jeder Gebetszeit fand ich eine Raststätte oder ein Fleckchen, wo wir unsere Gebete verrichten konnten.

Spät nachmittags kamen wir in Mekka an und da wir nichts vorreserviert hatten, klapperten wir ein Hotel nach dem anderem ab und beim dritten oder vierten wurden wir fündig, wir bekamen ein schönes Zimmer in einem Hotel exakt gegenüber dem Bab al-Umrah (Tor der Umrah)!

Besser konnte es schon gar nicht mehr sein! Und dann - Eintritt in die große Moschee, alles weiss, nur die Ka'ba, der Würfel, in schwarze Tücher goldener Schrift gehüllt, ein unglaublicher Kontrast. Meine Freunde sagten mir später, ab dem Moment sei ich nicht mehr ich selbst gewesen. Ich sei irgendwie auf einer völlig anderen Ebene gewandelt.

Obwohl ich alles bewusst wahrgenommen habe, die 7 Umrundungen der Ka'ba, das Gebet am Platz des Abraham, der Lauf zwischen den Hügeln von Safwa und Marwa mit der symbolischen Wassersuche und schließlich das Wasser selbst. Das Wasser des Brunnen Samsam ist kühl, erfrischend und belebend, noch nie habe ich soviel Wasser getrunken und so köstliches Wasser! Nirgendwo sonst bin ich mir der Gemeinschaft der Gläubigen so bewusst geworden wie bei dieser "Umrah" und speziell hier in der großen Moschee von Mekka.

Nirgendwo sonst habe ich die Brüderlichkeit hautnaher erleben können als auf dieser Reise. Nirgendwo sonst habe ich mich der Majestät Allahs näher gefühlt als dort. Es ist ein unbeschreibliches Gefühl, nach dem Morgengebet die Sonne hinter der Ka'ba aufgehen zu sehen, erst ist es schwarz, dann wird es dukelblau, lila, rot, orange und gelb und ich schaue hinter mich und dort ist es noch schwarz - ein unglaubliches Schauspiel!

Ebenso wunderschön und unbeschreiblich ist es, mit über 100.000 Menschen zu beten. Die große Menschenmenge ist mir zu keiner Zeit, und das ist fast ein Wunder, denn wo es geht, meide ich normalerweise große Menschenansammlungen, da ich Platzangst bekomme, bedrückend oder laut vorgekommen. Im Gegenteil: Sie, und ich mittendrin, verrichtet Ihr Gebet in einem Unisono der Stille, nur unterbrochen von zeitweiligen Koranlesungen.

Sie räumt jedem Betenden seine Individualität ein, obgleich er aufzugehen scheint in der Masse. Und wenn 100.000 und oder mehr oder weniger "Amin" sagen, scheint die Erde zu zittern und die Seele bekommt Flügel.

Tausende umgleiten die Ka'ba, fast lautlos. Ein hypnotisierender Effekt, man könnte sie mit einem wogenden Ährenfeld oder der wogenden See vergleichen, eine unendliche Bewegung zu Vollkommenheit. Ist man dort mitten drin und umkreist selbst die Ka'ba, was zu deutsch "Würfel" heißt, diesen "Still Point", den symbolischen Dreh- und Angelpunkt unserer Religion, dann begreift man, dass Allah weder im Osten noch im Westen ist, sondern jenseits von Zeit und Raum und man fühlt sich wie ein kleines Rädchen in einem großen Räderwerk, wie ein Elektron, das den Atomkern umkreist. Man weiß, man ist angekommen und man glaubt, das, was mit "Salam" (Friede) gemeint ist, mit den Händen greifen zu können.

Und nicht nur Menschen umkreisen die Ka'ba; es gibt in Mekka unglaublich viele Tauben und andere Vögel, doch ich habe beobachtet, dass kein Vogel auf der Ka'ba sitzt oder dort kotet, ja wenn die Vögel tiefer als die Minarette fliegen, fliegen sie um die Ka'ba herum, als würden sie selbst Tawwaf (die Umkreisungen) ausführen. Nur wenn sie höher als die Minarette fliegen, überqueren sie die Ka'ba, aber auch dabei lassen sie nie was fallen! Würde, Ästhetik, Glaubensintensität, Internationalität, all das ist die große Moschee, al-Masdschid al-Haram, mit ihrem großen offenen Innenhof, in deren Mitte die schwarz umhüllte Ka'ba steht, ein Gebäude von großer Schlichtheit. Wenn Gott, um mit Ibn Sina zu sprechen, auch das Einfache in höchster Potenz ist, dann ist dieses Gebäude in Form eines einfachen Würfels, die bestmögliche Entsprechung dazu!

Es war für mich nicht einfach, Mekka bzw. die große Moschee wieder verlassen zu müssen, ja selbst bei unseren Ausflügen nach Mina, Muzdalifa und zum Berg der Gnade in Arafat sehnte ich mich immer wieder zur Ka'ba zurück.

Der schwarze Stein, der so gut roch, die Brüder und Schwestern, die ich dort traf und mit denen ich zwischen den Gebetszeiten manchmal noch lange plauderte, die Athmosphäre von Frieden und Glückseligkeit, anders kann ich es nicht beschreiben, fehlt mir sehr. Ich danke Gott dafür, dass ich es schon einmal erleben durfte und hoffe es mindestens noch einmal erleben zu können. Inscha'Allah - Wie Allah will, es liegt alles in Seiner Hand!

Quelle: Islamische Zeitung

@ Ekrem Yolcu

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