Gedanken zum Wasser
Das Element des Wassers in der qur’anischen Symbolsprache - Von Prof. Enes Karic, Sarajevo
Es wird im Qur’an gesagt, dass der Regen nicht fällt - Allah sendet den Regen von den Himmeln herab.

h2o.jpg (8614 Byte)Von den frühesten Tagen des Islams an sprang den Gelehrten folgende Tatsache ins Auge: das Herabsteigen des Regens von den Wolken wird im Qur’an mit der gleichen Sprache benannt, die benutzt wurde, um die Art und Weise, in der der Qur’an selbst offenbart wurde, aufzuzeigen.
Das Herabsenden des Regens ist identisch zur Offenbarung oder „dem Herabsenden“ in qur’anischen Worten, Suren und Geschichten. Es wird im Qur’an erwähnt, dass Allah Regen gewährt. In der Tat begegnen wir einem Wunder des Ereignisses der Offenbarung selbst wieder.

„Aus dem Wasser schufen Wir jedes lebende Geschöpf“, heißt es in dem Buch. Und der Mensch selbst wurde erschaffen „als Tropfen in einem sicheren Behältnis“, so der Qur’an. Es gibt zahlreiche Textstellen in der spirituellen islamischen Literatur, die über den menschlichen Embryo als kleinen Klumpen sprechen, der seinen Ursprung im Wasser hat. Die Gelehrten des Islam haben deshalb angemerkt, dass im Qur’an vom Wasser als Zeichen des Wunders der Schöpfung, oder als Schöpfung selbst gesprochen wird.

Wasser wird im Qur’an in beinahe jeder Form erwähnt. Wasser ist Regen, in Flüssen, in der See, Wasser als Tau, Wasser als Saft und Eis, Wasser steht für Frische und für Dampf. Auf den Anblick des Quellwassers wird viele Male im Qur’an Bezug genommen, mit besonderer Betonung auf Quellwasser, welches aus einem Felsen hervorbricht.

Die Meere, mit ihrer ungeheuren Ausdehnung, und das Motiv der ‘sieben Meere’, werden mit der Tinte verbunden und sollen dadurch zum Nachdenken anregen: wären alle Meere aus Tinte geschaffen, und wären alle Bäume Schreibfedern, um das Wort Allahs niederzuschreiben, dann „wäre die See getrocknet, bevor die Worte meines Herren erschöpft sind.“ Aus diesem Grund hat Ibn ‘Arabi, ein Sufi aus dem siebten islamischen Jahrhundert, den Qur’an ein grenzenloses Meer genannt.

Die Wasser des Meeres werden in islamischen Kommentaren als die unteren Gewässer bezeichnet, mit enormer Ausdehnung, voller düsterer Tiefen und undurchsichtiger Schichten. Aber mit ihrer Bläue und ihren Wellen, sind die Meere auch der sehnsüchtige Ruf nach der Unendlichkeit, nach dem Entfernten, der Reise und dem Weg.
Es gibt kein beredteres Schweigen, als das Schweigen im Wunder des blauem Himmels über einem blauen Ozean. Einer arabischer Dichter besang die ruhige See als ‘Festung der Stille’.

Im Qur’an wird Aufmerksamkeit auf die hohen Meere gelenkt, die für den Kreislauf des Schicksals stehen, die die Schöpfung, und insbesondere den Menschen, bewegt. Wie geräumig, stark und kräftig unser Gefährt auch immer sein mag, die Wellen der Ozeane sind mächtiger, und auf rauher See wird Allah inbrüstig angerufen, um eine sichere Ankunft im Hafen zu gewähren.

Im Qur’an wird von Flüssen gesprochen, die ohne Unterlass strömen. Im Paradies selbst wird von Flüsssen gesprochen, die durch Gärten hindurch ziehen. Die Sufis sehen im ununterbrochenen Fließen der Ströme (Hadzem Haidareciv würde sagen ‘die Bewegung der Ufer’) ein großes Zeichen: wie alles zu Allah zurückkehrt, so verschwindet Wasser weder, noch fliesst es einfach so davon.

Der Weg der Ströme richtet sich nicht auf die Mündung, sondern auf die Quelle aus. Flüsse sind also bewegliche Elemente des Landes und Wellen sind die beweglichen Elemente der Ozeane.

In der Unendlichkeit des Allbarmherzigen, der uns alle umfasst, dauert das Leben nur solange wie die Amplitude zweier Wellen, die an die Klippen stossen. Deshalb spricht der Dichter so deutlich vom Glanz der Wellen, die über den Felsen zusammenschlagen.
Dschalaluddin Rumi zitierte folgenden Ausspruch über die Bewegung der Gewässer und der Wellen:

Oh du, der du im Gefäß des Körpers schliefst, du hast bereits das Wasser gesehen, erblicke nun das Wasser der Gewässer.
Im flüssigen gibt es ein Wasser, welches es voran treibt, im geistigen gibt es einen Geist, der es nach vorne ruft.

Die sufische Literatur ist voll von Motiven des Wassers und der Reinheit. In der islamischen ‘Aqida ist es das Wasser, nicht der Wein, der im Brunnen des Rituals fliesst. Natur verwandelt sich in Kultur durch die Vermittlung des Wassers und im Zusammenleben des Menschen mit dem Wasser, kehrt die Kultur zur Natur zurück.

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An diesem Punkt kommen wir zur wichtigen Verbindung im Qur’an zwischen Wasser und der Gnade Allahs. Wenn wir uns reinigen, ist es so, als ob unser Gesicht nicht durch Wasser benetzt wird, sondern mit den unzähligen Wellen göttlicher Gnade, die uns auf ewig zur Hilfe kommt.
Im Qur’an hat der Zeichencharakter der Wolken mindestens zweierlei Bedeutungen: ihr Ziehen durch die Gewölbe des Himmels ist ein Zeichen für die Flüchtigkeit und zeitliche Begrenzung des Lebens auf der Welt, und als Folge dessen sind Wolken nicht bloße Zeichen der Verwandlung des Wassers in Dampf, sondern sie selbst sind die „oberen Gewässer“ in sichtbarer Form. In Form der Wolken zeigt das Wasser die menschliche Sehnsucht nach spirituellen Zuständen und Aufstiegen.

Das Betrachten mächtiger Wolken und der Himmel ist eine Begrenzung der ausufernden Begierden, sagte Imam Ghazali, und das Betrachten von etwas Grünem adelt den Blick. Im großen Maße bemühen sich die Worte im Qur’an, den Menschen an die unsichtbaren Winde zu erinnern, die die sichtbaren Wolken in die vier Himmelsrichtungen treiben, den toten und verlassenen Orten.

Und dann ermöglicht das Wasser, farblos, geschmackslos und ohne Geruch, ein Blühen der Wüstenregionen in den buntesten Farben mit wohlriechenden Blumen und Pflanzen.
Im Allgemeinen wird den klassischen Abhandlungen über die Farben, insbesondere über die Farben der Blumen, erwähnt, dass Wasser die Eigenschaft hat, sich zu verhüllen, sich zurückzuziehen. Obwohl es selbst ohne Farbe ist, ermöglicht es Farbe erst.
Es hat keinen Geschmack, aber macht diesen möglich. Ohne selbst zu riechen, bringt es Gerüche hervor. Das islamische Denken des Sufismus sieht im Allgemeinen, wie bei den alten Kirchenvätern des Christentums zuvor auch, dass die materiellen Dinge mit ihrer Vielfalt Zeichen Allahs sind.

Quellwasser steht über dem Rohen und dem Verfeinerten. Es ist nicht abhängig von Alter, wartet nicht auf eine Reifezeit. Wasser kann als das erstaunlichste Zeichen der Göttlichkeit betrachtet werden, farblos, geschmacklos, formlos, geruchslos .... transzendental. Wasser wird deshalb auch im Rahmen der muslimischen Architektur als Symbol der Einheit Allahs, des Tauhids, verwendet.

Es ist wichtig zu betonen, so die sufischen Kommentare und Anmerkungen, dass das Wasser Allah um der Tatsache willen preist, das die Leute aus ihm keine Statuen und Idole machen können. Wasser kann nicht zu diesem Zweck geformt werden. Wasser beugt sich vor Allah im ewigen und unablässigen Gebet durch das Blubbern seiner Bäche, das Stürzen seiner Wasserfälle, dem Sprudeln der Quellen und dem Rauschen von Strömen. Und aus diesem Grund wird im Qur’an gesagt, dass Menschen, und Holz, und selbst Steine, brennen können. Aber Wasser kann nicht brennen, es bringt Feuer zum Erlöschen.
Der Qur’an erinnert uns daran, dass Allahs Thron über den Wassern war.

Quelle: Islamische Zeitung

@ Ekrem Yolcu

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