Einladung von Nichtmuslimen zum Islam
Samir Mourad
Muslimischer Studentenverein Karlsruhe e.V.

Reproduktion:

Alle Teile dieser Abhandlung dürfen vervielfältigt, nachgedruckt und übersetzt werden, wenn dabei auf diese Quelle hingewiesen wird, und wenn vorher die Erlaubnis des Autors eingeholt ist, falls dieser noch leben sollte. Ansonsten muß ein Teil des Erlöses an eine wohltätige Organisation im Sinne des Autors abgeführt werden.

1.Auflage 1421/2000

 Muslimischer Studentenverein Karlsruhe e.V.

C/o Deutschsprachiger Muslimkreis Karlsruhe e.V.

Stefanienstr. 21

76133 Karlsruhe

Tel. 0721/22307 Fax. 0721/22304

Im Namen Allahs, des Allerbarmers, des Barmherzigen

 

Für all jene aufrichtigen Muslime, die von Herzen für alle Menschen, die auf dieser Erde leben, das Gute wünschen

 

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Einladung der Nichtmuslime zum Islam (Dawa)

1 Der Da'i ist auf Gott ausgerichtet

1.1 Für einen Muslim, zum Islam einlädt, ist diese Handlung ein Mittel seiner eigenen Annäherung an Gott und ein Mittel, Sein Wohlgefallen zu erlangen:

1.2 Der Da'i ist ein Arbeiter im Dienste Allahs

2 Den Nichtmuslim dazu zu bringen, daß er bereit ist, dem Muslim zuzuhören, wenn dieser ihn zum Islam einladen will

2.1 Den Charakter, den ein Da’i haben sollte........................................ 8

2.2 Die Bildung, die ein Da’i haben sollte............................................. 8

2.3 Die soziale Stellung, die ein Da’i haben sollte................................ 8

3 Über den Islam informieren.......................................... 8

4 Wie Menschen, die gewillt sind, den Islam anzunehmen, bei diesem Schritt zu unterstützen sind und wie mit neuen Muslimen umgegangen werden sollte.................. 8

4.1 Die Aufnahme der neuen Muslime in die islamische Gemeinschaft und der Aufbau einer engen persönlichen Beziehung zu ihnen..................................................................................................................... 8

4.2 Liebevoller, barmherziger, geduldiger und respektvoller Umgang mit den neuen Muslimen               8

4.3 Den neuen Muslimen dabei helfen, schrittweise den Islam in ihrem eigenen Leben umzusetzen       8

Literaturverzeichnis............................................................ 8

 

Vorwort

Dank sei Allah dem Herrn der Welten, und Allahs Segen und Sein Heil seien auf dem Propheten Muhammad, seiner Familie und seinen Gefährten.

Die vorliegende Abhandlung ist fast zu 100 % während des Entstehungsprozesses des Buches „Einführung in das Verhältnis zwischen Muslimen und Nichtmuslimen“ (siehe [Mourad]) entstanden. Dieser Prozeß dauerte etwa 3 Jahre, in dessen Verlauf einige Abschnitte, die bereits geschrieben waren, wieder herausgenommen bzw. gekürzt wurden, da sie nicht in den Rahmen des Buches zu passen schienen. 

Der Abschnitt über die Einladung von Nichtmuslimen zum Islam war ursprünglich ein etwas umfangreicheres Kapitel, welches sowohl eine Beweisführung für die Wahrheit des Islam, als auch Inhalte der vorliegenden Abhandlung enthielt. Was die Beweisführung für die Wahrheit des Islam anbetrifft, so wurde sie schließlich zum großen Teil in [As-Sabuni, Mourad] veröffentlicht. Vom Rest des ursprünglichen Kapitels wurden einige Teile in den relativ kurzen Abschnitt „Die Nichtmuslime zum Islam einladen (Dawa)“ (Unterkapitel 1.2) aufgenommen.

In letzter Zeit erschien es mir jedoch sinnvoll, auch die bisher nicht veröffentlichten Texte zur Verfügung zu stellen, da es sich zum Teil um Dinge handelt, die es meines Wissens bisher noch nicht in deutscher Sprache gibt, wie z.B. eine Analyse der Persönlichkeit von Abu Bakr (Allah möge mit ihm zufrieden sein) als jemand, der zum Islam eingeladen hat.

Vielleicht nützt diese Abhandlung jemandem etwas, und vielleicht nützt die Weitergabe dieses Wissens mir etwas am Tag der Auferstehung.

Karlsruhe, im Rabi’ul awwal 1421 (Juni 2000)

Samir Mourad

 

Einladung der Nichtmuslime zum Islam (Dawa[1])

Die Einladung der Nichtmuslime zum Islam ist ein Auftrag, den Allah der muslimischen Gemeinschaft gegeben hat.[2] Der Muslim lädt also den Nichtmuslim zum Islam nur deshalb ein, damit er selbst Allahs Wohlgefallen erlangt. Ob der Nichtmuslim letztendlich den Islam annimmt oder nicht, ist seine persönliche Sache. Sollte der Nichtmuslim den Islam annehmen, freut sich der Muslim natürlich, daß Allah einen Menschen durch ihn vor dem Höllenfeuer errettet hat. Sollte der Nichtmuslim jedoch der Einladung nicht folgen, so hat der Muslim durch die bloße Einladung seine Aufgabe vor Gott erfüllt.

Die Rechtleitung des Herzens, d.h. die Akzeptanz und Annahme des Islam, ist etwas, was bei Allah liegt:

"Dir obliegt nicht ihre Rechtleitung, sondern Allah leitet recht, wen Er will"[2:272]

„Hätte dein Herr es gewollt, so wären alle auf der Erde Mu’minun[3] geworden. Willst du also die Menschen dazu zwingen, Mu’minun zu werden? Niemand steht es zu, Mu’min zu werden ohne die Erlaubnis Allahs. Und Er läßt (Seinen) Zorn auf jene herab, die ihre Vernunft (dazu) nicht gebrauchen wollen.“[10:99-100]

Hierzu sollte angemerkt werden, daß Allah niemanden dazu zwingt, Kafir[4] zu werden. Sondern es ist so, daß Allah demjenigen, der die Rechtleitung sucht, den Weg zur Rechtleitung leicht macht. Denjenigen hingegen, der von sich selbst aus Kufr begehen will, den läßt Allah in die Irre gehen.

Das Ziel bei der Einladung zum Islam kann also nur sein, daß die Muslime den Islam den Nichtmuslimen klar und deutlich offenlegen und so gut wie möglich Hindernisse aus dem Weg räumen, welche die Nichtmuslime von der freiwilligen Annahme des Islam abhalten.

Wenn ein Nichtmuslim gerne Muslim werden möchte, sein familiäres und gesellschaftliches Umfeld ihn aber davon abhält, so hat die muslimische Gemeinschaft zum ersten die Möglichkeit, den Betreffenden darauf aufmerksam zu machen, daß das ewige Jenseits viel wichtiger ist als das vergängliche Diesseits und daß eine eventuelle familiäre oder gesellschaftliche Isolierung bzw. Ächtung nichts ist im Vergleich zur ewigen Strafe im Höllenfeuer, welcher diejenigen ausgesetzt sind, die zwar über den Islam ausreichend informiert worden sind, ihn aber trotzdem aus irgendwelchen Gründen nicht annehmen. Zum zweiten sollte die muslimische Gemeinschaft die neuen Muslimen unterstützen.

Seine Eltern jedoch muß ein neuer Muslim auch dann gut behandeln, wenn sie sich dagegen gestellt haben, daß er Muslim wurde bzw. sich darum bemühen, daß er wieder vom Islam abfällt:

"Und Wir haben dem Menschen im Hinblick auf seine Eltern anbefohlen - seine Mutter trug ihn in Schwäche über Schwäche, und seine Entwöhnung erfordert zwei Jahre -: "Sei Mir und deinen Eltern dankbar. Zu Mir ist die Heimkehr. Doch wenn sie dich auffordern, Schirk[5] zu betreiben, was gegen dein Wissen läuft, daß es nur einen Gott gibt, dann gehorche ihnen nicht. In weltlichen Dingen aber verkehre mit ihnen auf gütige Weise. Und folge dem Weg dessen, der sich zu mir wendet. Dann werdet ihr zu Mir zurückkehren, und ich werde euch das verkünden, was ihr getan habt."[31:14-15]

Die Aufgabe des Muslims bei der Einladung zum Islam teilt sich also in drei Teile:

1.    Den Nichtmuslim dazu zu bringen, daß er bereit ist, dem Muslim zuzuhören, wenn dieser ihn zum Islam einladen will;

2.    über den Islam zu informieren und

3.    dem Nichtmuslim, der von der Wahrheit des Islam überzeugt ist, klarzumachen, daß er trotz eventueller gesellschaftlicher Repressalien den Islam annehmen sollte und ihn auch bei diesem Schritt so gut wie möglich zu unterstützen.

Auf diese drei Punkte wird im folgenden ausführlicher eingegangen. Zunächst jedoch soll auf das eigentliche Wesen des Da'i[6] eingangen werden:


1. Der Da'i ist auf Gott ausgerichtet

1.1 Für einen Muslim, zum Islam einlädt, ist diese Handlung ein Mittel seiner eigenen Annäherung an Gott und ein Mittel, Sein Wohlgefallen zu erlangen[7]:

Allah der Erhabene hat gesagt:

"O du Mensch, du mühst dich hin zu deinem Herrn, und du wirst ihm begegnen."[84:6]

Dieser Vers bedeutet, daß jeder Mensch - gleich ob Mu’min oder Kafir - zwangsläufig einen Weg hin zu seinem Schöpfer schreitet, zu dem er am Tag der Auferstehung zurückkehren wird.

Der Unterschied zwischen einem Mu’min und einem Kafir besteht darin, daß der Mu’min diesen Weg bewußt schreitet. Er versucht diesen Weg im Wohlgefallen Allahs zu gehen. Derjenige jedoch, der Gott leugnet, geht diesen Weg unbewußt, bis schließlich im Jenseits, nach seinem Tode, ein böses Erwachen stattfindet: Er findet sich plötzlich vor Allah, seinem Schöpfer, den er Zeit seines Lebens geleugnet hatte. Hierzu sagt Allah:

"Die Taten der Kafirun sind wie eine Luftspiegelung auf einer Ebene, - der Durstige hält sie für Wasser, bis, wenn er dahin kommt, er da nichts findet, und findet Allah bei sich, und Er begleicht ihm seine Abrechnung, und Allah ist schnell bei der Abrechnung"[24:39]

Da der Da'i in erster Linie ein Muslim und Mu’min ist und das Einladen zum Islam ein Gottesdienst ist, ist also die Dawa selbst ein Mittel für ihn, das Wohlgefallen Allahs zu erlangen, während er sich zielstrebig auf seinem Weg zu seinem Schöpfer befindet, dem er nach dem Tod begegnen wird.

So kann man also klar den Unterschied feststellen zwischen einem Da'i, der zum Islam einlädt, und irgendeinem anderen Menschen, der zu einer bestimmten Ideologie einlädt.

Derjenige, der zu einer bestimmten Ideologie einlädt, wird von sich sagen können, daß er sein Ziel erreicht hat, wenn alle Menschen auf dieser Erde seiner Ideologie folgen. Er verfolgt also ein irdisches Ziel.

Der Da'i hingegen kann nicht behaupten, daß er sein Ziel bereits erreicht hat, wenn alle Menschen auf der Erde Muslime geworden sind. Denn es kann durchaus möglich sein, daß er keine aufrichtige Absicht bei seiner Einladung zum Islam hatte. So lernten zwar einige Menschen etwas über den Islam von ihm kennen, er selbst kommt aber ins Höllenfeuer, weil er diese Einladung zum Islam aus eigensüchtigen Motiven heraus ausgesprochen hat.

Der Gesandte Allahs (Allahs Segen und Heil auf ihm) hat gesagt:

"...Ein Mann, der Wissen erwarb und es lehrte, wird (zu Allah) gebracht. Er läßt ihn wissen, welche Gnade Er ihm gewährte, und er erkennt sie. Allah spricht: "Was hast du damit gemacht?" Er antwortet: "Ich habe Wissen erworben und es weitergegeben, und ich rezitierte um Deinetwillen den Quran." Allah spricht: "Du hast gelogen. Vielmehr lerntest du, damit gesagt würde: Er ist ein Gelehrter, und du rezitiertest den Quran, damit gesagt würde: Er ist ein Quran-Rezitator - was auch geschah."

Dann wird befohlen, ihn auf seinem Gesicht fortzuziehen und ins Feuer zu werfen..."[8]

1.2 Der Da'i ist ein Arbeiter im Dienste Allahs

Allah der Erhabene greift auf zwei verschiedene Weisen in diese Welt ein: Zum einen direkt - z.B. durch Erdbeben, Stürme usw. - und zum anderen indirekt - durch die muslimische Gemeinschaft. D.h. daß Allah seinen Plan zum Teil durch die muslimische Gemeinschaft verwirklicht. 

Ebenso ist die Verbreitung der Einladung zum Islam eine Aufgabe der muslimischen Gemeinschaft.

In diesem Sinne gehört also derjenige, der zum Islam einlädt, zur Gruppe Gottes, die zu unterstützen Allah versprochen hat:

"Und ganz bestimmt hilft Allah dem, der Ihm hilft. Allah ist wahrlich Stark, Mächtig. Diejenigen, die, wenn Wir sie auf der Erde stark machen, das Gebet einrichten und die Zakat[9] geben und das Rechte gebieten und das Verwerfliche untersagen. Und Allah bestimmt den Ausgang aller Dinge."[22:40-41]

Diese Unterstützung Allahs bekommt aber die muslimische Gemeinschaft nur, wenn sie sich selbst so nah wie möglich an das Gesetz Allahs hält. Genaueres hierzu kann man z.B. in [SayyidQutb] nachlesen. Wenn also trotz großer Anstrengungen der erhoffte Erfolg ausbleibt, so müssen sich diejenigen, die zum Islam einladen, selbst zur Rechenschaft ziehen.

Die Einladung zum Islam ist manchmal mit großen Schwierigkeiten verknüpft, welche von den Da'is große persönliche Entbehrungen verlangen, denn manchmal wird diese Einladung mit Gewalt bekämpft. So muß sich der Da'i zwangsläufig von einem materiell angenehmen und luxuriösen Leben verabschieden. Der Lohn dafür ist jedoch Rechtleitung im Diessteits und das Paradies im Jenseits.

Um diese Punkte ausführlicher zu studieren, sei der Leser auf den Qurankommentar[10] Sayyid Qutbs zu den Versen [22:40-41], [SayyidQutb] und [Denffer82] und [Maududi95], Kap.7, verwiesen.

Weiterhin sollte ein Da'i beachten, daß die Macht Allahs viel größer ist als jegliche menschliche und materielle Macht. Und so kann das Bittgebet eines rechtschaffenen Gottesdieners mehr bewirken als eine ganze Armee.

Zusammengefaßt ergibt sich also, daß der Da'i folgende vier Dinge ständig beachten und sich bewußt machen soll:

·      das Ziel seiner Einladung zu Allah: um selbst das Wohlgefallen Allahs zu erlangen;

·      er selbst soll sich so gut wie möglich vor Sünden hüten und die Anweisungen Allahs erfüllen;

·      er soll ständig in Verbindung zu Allah stehen - durch Gebet und Bittgebet

·      die enge Bindung an Allah soll gekoppelt sein mit großem eigenen Einsatz und Anstrengung; dem Dschihad auf dem Wege Allahs.


2. Den Nichtmuslim dazu zu bringen, daß er bereit ist, dem Muslim zuzuhören, wenn dieser ihn zum Islam einladen will

 

Damit ein Muslim einen Nichtmuslim in einer Gesellschaft, in denen materielle Werte im Vordergrund stehen, zum Zuhören bringen kann, muß er Eigenschaften besitzen, die wir hier anschaulich am Beispiel Abu Bakrs[11] betrachten wollen[12]. Die damalige Situation in Mekka ist insofern mit der heutigen Situation der Muslime zu vergleichen, als in der damaligen mekkanischen Gesellschaft materielle Werte höher als geistige Werte angesehen wurden.

 

In der Frühphase des Islam war nach dem Propheten (Allahs Segen und Heil auf ihm) Abu Bakr derjenige, der mit der größten Wirkung zum Islam aufrief.

     Munir Ghadban zitiert in [Ghadban] aus der Prophetenbiographie[13] von Ibn Hischam:

„...Danach nahm Abu Bakr den Islam an und gab bekannt, daß er Muslim geworden ist. Er war seinem Volk angenehm und leicht umgänglich...und derjenige der Quraisch[14], der am besten über sie und ihre guten und schlechten Sitten Bescheid wußte. Er war ein Kaufmann mit ausgeprägtem Charakter und Ruf. Seine Stammesgefährten mochten ihn aus mehr als einem Grund: wegen seines Wissens, seines Handels und seines guten Umgangs."

Abu Bakr begann, Leute aus seinem Volk, denen er vertraute, zum Islam einzuladen. Einige derjenigen, die später zu den bedeutendsten Prophetengefährten wurden[15], folgten seiner Einladung.

Als Kommentar zu dieser Beschreibung Abu Bakrs sagt Ghadban:

"Wir können die Persönlichkeit Abu Bakrs anhand der folgenden Persönlichkeitsmerkmale kennenlernen:

 

·        Sein Charakter: Er war ein Mann, der seinem Volk angenehm und leicht umgänglich war;

·        Seine Bildung: Er war derjenige der Quraisch, der am besten über sie und ihre guten und schlechten Sitten Bescheid wußte.

·        Seine soziale Stellung und sein Beruf: Er war ein Kaufmann...und die Männer seines Stammes mochten ihn aus mehreren Gründen, obwohl er selbst keine sehr vornehme Abstammung hatte...Dies änderte jedoch nichts an seinem hohen Ansehen in seinem Stamm.“[16]

 

Diese drei Eigenschaften, welche im folgenden näher erläutert werden, sollten auch unbedingt bei den heutigen Da'is vorhanden sein:


2.1 Den Charakter, den ein Da’i haben sollte

Ghadban fährt weiter fort:

„Ein leicht umgänglicher und angenehmer Charakter garantiert, daß man eine Wirkung bei den anderen hinterlassen und sie dazu bringen kann, daß sie sich dem Da’i öffnen, selbst wenn sie eigentlich einen schwierigen Charakter haben. Außerdem garantiert ein solcher Charakter, daß es nicht zu einer negativen Reaktion bei den anderen kommt, wenn sie die Einladung nicht annehmen sollten.“[17]

 

2.2 Die Bildung, die ein Da’i haben sollte

 

Ghadban fährt weiter fort:

„Bildung ist genauso wichtig wie der Charakter. Jedoch ist in diesem Zusammenhang nicht jegliche Art von Bildung bedeutsam. Hier ist es wichtig, Kenntnis vom Wesen der Gesellschaft und dem Wesen und der Denkweise der Menschen zu haben. So ist dieses Wissen ein Schlüssel, mit dem der Da'i das Herz desjenigen öffnen kann, den er zum Islam einlädt.

Allah sagt: "Denken sie denn nicht über den Quran nach, oder ist es etwa so, daß ihre Herzen verschlossen sind?"[47:24]

So sind also die Herzen verschlossen und die Aufgabe des Da'is besteht darin, die Schlüssel zu diesen Schlössern zu besitzen und zu wissen, von wo er einen Zugang zu diesen Herzen finden kann, so daß sie seiner Einladung Folge leisten..."[18]

 

Es ist wichtig, genau darüber Bescheid zu wissen, wie die Menschen denken und von welchen Weltanschauungen sie beeinflußt sind. Es ist z.B. wichtig zu wissen, daß, wenn man mit einem westlich gebildeten Menschen über Psychologie spricht, dieser meist in den Schemata einer oder mehrerer psychologischen oder psychoanalytischen Schulen denkt.

 

So ist heutzutage eine sehr breitgefächerte Allgemeinbildung wichtig, welche Wissen in den Bereichen der Geschichte, der Politik, moderner Naturwissenschaften und Technik, der Philosophie, der Soziologie, der Psychologie und anderen Gebiete umfaßt.[19]


2.3 Die soziale Stellung, die ein Da’i haben sollte

 

Nun soll mit der Erläuterung Ghadbans zur Persönlichkeit Abu Bakrs (Allahs Wohlgefallen sei mit ihm) fortgefahren werden. Ghadban erläutert im folgenden die Bedeutung der sozialen Stellung des Da'is:

 

"Eine gehobene soziale Stellung des Da'i führt dazu, daß die Menschen für ihn ein offenes Ohr haben und ihm aufmerksam zuhören. So entbindet ihn diese gehobene Stellung davor, von anderen Menschen materiell abhängig zu sein und sich durch Betteln zu erniedrigen. Diese materielle Unbedürftigkeit bringt ihm Respekt ein in einer Gesellschaft, in denen materielle Güter und Ansehen den größten Stellenwert haben. Der Gesandte Allahs (Allahs Segen und Heil auf ihm) machte uns darauf aufmerksam, indem er sagte:

"Entsage dem irdischen Leben, dann wird dich Allah lieben und entsage dem, was in den Händen der Menschen ist, dann werden dich die Menschen lieben.“[20]

 

Da eine gewisse soziale Stellung innerhalb der Gesellschaft von Natur aus einen ständigen Kontakt mit anderen Menschen mit sich bringt, ist dies günstig für die Einladung zum Islam, da der nötige Kontakt mit denjenigen, die der Da'i zum Islam einladen will, auf natürliche Weise und nicht künstlich geschieht.

So fällt es z.B. einem Händler oder einem Lehrer leichter, Dawa zu praktizieren, als einem Angestellten, der in seinem engen Umfeld eingegrenzt ist."[21]

 

Einerseits ist es also so, daß je höher die soziale Stellung des Da'is ist, desto mehr Menschen sind bereit, ihm zuzuhören. So wird ein nichtmuslimischer Professor wohl kaum etwas von einem muslimischen Arbeiter annehmen, ein muslimischer Arzt wird wohl jedoch sowohl bei einem nichtmuslimischen Arbeiter, wie auch bei einem nichtmuslimischen Arzt ein offenes Ohr finden, wenn er entsprechend mit ihnen spricht.

Andererseits ist es jedoch nötig, daß in jeder Gesellschaftsschicht Da'is vorhanden sind, um 1. den Kontakt mit den Angehörigen der jeweiligen gesellschaftlichen Schicht zu garantieren und um 2. folgendes Problem in den Griff zu bekommen:

Es kam bereits mehrfach vor, daß sich manche Menschen, die den Islam angenommen haben bzw. sich dafür interessieren, mit einem Kreis von Da’is, der zumeist aus Studenten oder Akademikern bestand, wenig anfangen konnten und sich so wieder von der muslimischen Gemeinschaft entfernten, weil sie sich in einem solchen Umfeld nicht zu Hause bzw. nicht verstanden fühlten. In diesem Zusammenhang waren Aussagen wie „Ihr seid die Studierten und wir sind die Arbeiter“ oder „die quatschen so hochgestochen“ zu hören.


3. Über den Islam informieren

 

Dieser Abschnitt erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, denn es gibt viele Wege, wie Allah einen Menschen auf den geraden Weg führt. Er soll lediglich einige grundsätzliche Dinge aufzeigen und so eine Orientierungshilfe geben. 

 

Über den Islam zu informieren bedeutet, den Islam klar und deutlich darzulegen. Dazu muß ein Da'i selbst genügend Wissen über den Islam besitzen, d.h. über die verschiedenen Bereiche der islamischen Wissenschaft wie z.B.

·        die Aqida (d.h. die islamischen Iman-Inhalte),

·        den Fiqh (d.h. die Wissenschaft des islamischen Rechtes),

·        die Prophetenbiographie,

·        usw.

 

Dies ist wichtig, damit man die Menschen nicht falsch über den Islam informiert und sie so eher irreleitet als auf den geraden Weg führt.

Es ist gefährlich, als relativer Neuling auf dem Gebiet der islamischen Wissenschaft zu versuchen, den Islam aus Büchern von Orientalisten zu lernen. Der Grund ist der, daß einerseits einfach falsche Behauptungen unter historische Tatsachen gemengt werden. Andererseits wird u.a. durch mehr oder weniger geschickte Kommentierung der Leser zu einem Verständnis des Islam gelenkt, welches nicht dem Islamverständnis der Muslime entspricht. Ein Anfänger[22], der noch keine klare und umfassende Vorstellung vom Islam hat, kann jedoch das Richtige im allgemeinen nicht vom Falschen unterscheiden.

So hat ein unkontrolliertes Lesen solcher Bücher oft negative Folgen auf das Islamverständnis und die Persönlichkeit des betreffenden Muslim.

 

Man kann im wesentlichen den Islam folgendermaßen zusammenfassen:

Die erste und größte Wahrheit ist, daß Allah existiert. Desweiteren hat Allah, der Allmächtige, Gesandte zur Rechtleitung der Menschen entsandt hat, von denen der letzte Muhammad (Allahs Segen und Heil auf ihm) ist. Folgen die Menschen den Anweisungen Allahs, die er ihnen durch Seine Gesandten mitteilt, werden sie im Jenseits für ewig belohnt werden; widersetzen sich jedoch die Menschen den Anweisungen ihres Schöpfers und verweigern das Akzeptieren der Tatsache, daß Er existiert, so werden sie für ewig bestraft werden.

 

Said Hawwa (Allah möge ihm barmherzig sein) schrieb eine dreiteilige Reihe mit dem Namen "Zielgerichtete Untersuchungen über: 1. Allah, 2. Der Gesandte, 3. Der Islam".  Im ersten Band, "Allah", legt er eine Beweisführung für die Existenz Allahs anhand von naturwissenschaftlichen Ergebnissen dar. Im zweiten Band, "Der Gesandte", führt er eine Beweisführung dafür an, daß Muhammad (Allahs Segen und Heil auf ihm) tatsächlich der Gesandte Allahs ist. Dabei betrachtet er u.a. den Charakter Muhammads und seine Aufrichtigkeit, die sowohl von seinen Freunden wie auch seinen Feinden bestätigt wurde. Desweiteren führt er Wunder Muhammads an. Außerdem wird aufgezeigt, daß in den Überlieferungen sowohl der Christen als auch der Juden das Kommen Muhammads angekündigt wurde. Es wird aufgezeigt, daß die Juden in Arabien auf sein Kommen warteten, ihn dann auch erkannten, sich aber weigerten ihm zu folgen, weil er nicht aus ihrem Volk kam. Diese wissenschaftliche Untersuchung über den Propheten (Allahs Segen und Heil auf ihm) umfaßt etwa 500 Seiten, wobei am Anfang des Buches folgendes angemerkt ist: "Wir werden in dieser Untersuchung sehen - durch Indizien und Beweisführung - daß Muhammad tatsächlich der Gesandte Allahs ist und daß Muhammad der größte Mensch in jeglicher Beziehung ist..."

Im Vorwort zu dieser dreiteiligen Reihe sagt Said Hawwa: "Der Leser dieser Reihe stellt fest, daß ich mich in den ersten beiden Teilen "Allah" und "Der Gesandte" oft lange mit verdeutlichenden Ausführungen, Erläuterungen und Beweisführungen aufhalte, wobei ich dabei mit Geduld und Ruhe den menschlichen Verstand anspreche. Dabei gehe ich auf jeden möglichen Zweifel und Einwand ein; der dritte Teil "Der Islam" hingegen ist mehr eine Vorstellung als eine Erläuterung. Der Grund dafür ist der folgende: wenn der Mensch erst einmal von der Existenz Allahs überzeugt ist, und davon, daß Muhammad Sein Gesandter ist, dann bleibt ihm nichts anderes mehr übrig, als sich Seiner Religion und Seinem Gesetz unterzuordnen. Es geht hier also nicht darum, daß jeder einzelne Teil des Islam gerechtfertigt werden muß - obwohl diese Rechtfertigung ohne Zweifel vorhanden ist -, sondern es geht beim dritten Teil darum, den Islam kennenzulernen. Denn der logische Menschenverstand sagt: Dem Menschen bleibt nichts anderes übrig, als sich unter Allahs Gesetz unterzuordnen, denn Er ist der Herr und Seine Geschöpfe sind Seine Knechte, und derjenige von beiden ist der Wissendere, der "dem Menschen das gelehrt hat, was dieser nicht wußte"[96:5]...."

 

U.a. in [As-Sabuni, Mourad], Kap. 1.2 und in [Azzindani] wird ausführlich eine Beweisführung für die Wahrheit des Islam vorgenommen.

 

Die Einladung zum Islam beschränkt sich jedoch keineswegs auf verbale Informationen über den Islam. Dawa bedeutet auch, daß ein Muslim durch sein vorbildliches Verhalten zum Islam einlädt. Denn das, was die Menschen an einem Muslim sehen, prägt sich bei ihnen oft viel mehr ein als Worte. Aischa, die Frau des Propheten (Allahs Segen und Heil auf ihr) hat einmal den Propheten als Quran auf zwei Beinen beschrieben. Betrachtet man die Geschichte, so sieht man, daß einer der wichtigsten Faktoren, der die Menschen zur Annahme des Islam veranlaßte, der schöne Charakter und die Lebensweise der Muslime waren.

 

In diesem Sinne sagt Muhammad Qutb im Vorwort zur elften Auflage seines Buches "Einwände gegen den Islam":

"...Die Praxis hat mich außerdem folgendes gelehrt: Diese Wortschlacht, die die islambegeisterte Jugend mit ihren Feinden führt, verdient diesen Aufwand gar nicht! Die Mehrzahl der Diskutierenden sucht nämlich weder nach der Wahrheit noch nach dem Wissen, sondern ihr Hauptanliegen ist es, ihre Kritik zu bestätigen und Unfrieden zu stiften. Die wahre Antwort darauf kann nicht darin liegen, sich mit ihnen in einen Wortstreit einzulassen, selbst wenn man sie dadurch in Verlegenheit bringen würde. Vielmehr liegt die wirkliche Erwiderung darauf im Hervorbringen beispielhafter Muslime, die nach den Wahrheiten des Islam erzogen wurden und dadurch zum wirklichen angewandten Beispiel dieser Wahrheiten wurden. Eine Generation, die andere so sehr beeindruckt, daß sie danach trachten, ihnen gleichzutun. Das sind jene, die "den Menschen nützen und auf der Erde wohnen", und dies ist der Bereich der wahren Bekanntmachung des Islam..."[23]

 

Ein solches lebendiges Beispiel der Dawa zeigt der folgende Bericht, den Ibn Kathir in seinem Geschichtswerk "Al-bidaya wan-nihaha" (Der Anfang und das Ende) überliefert[24]:

 

"...Der Kalif Ali (Allahs Wohlgefallen sei auf ihm) verlor einmal seine Rüstung, welche er bei einem Christen wiederfand. Daraufhin brachten sie die Angelegenheit vor den Richter Schuraih. Ali sagte: "Die Rüstung ist meine, ich habe sie weder verkauft noch verschenkt." Daraufhin befragte Schuraih den Christen nach dem, was der Kalif gesagt hatte. Da sagte der Christ: "Die Rüstung ist meine. Der Befehlshaber der Mu’minun (d.h. der Kalif) ist jedoch für mich kein Lügner."

Schuraih wandte sich daraufhin zu Ali und fragte ihn: "Hast du einen Beweis für deine Behauptung?", woraufhin Ali lachte und sagte: "Schuraih hat richtig gerichtet. Ich habe keinen Beweis." Daraufhin sprach der Richter dem Christen die Rüstung zu, weil sie sich in seinen Händen befand und Ali keinen Beweis erbracht hatte, daß die Rüstung dem Christen trotzdem nicht gehörte. Da nahm der Christ die Rüstung und ging weg. Er ging nur einige Schritte, kam dann zurück und sagte: "Ich bezeuge, daß dies Gesetze sind, nach denen Propheten richten. Der Kalif bringt mich zu dem von ihm eingesetzten Richter, der dann mir das Recht zuspricht gegen den Kalifen! Ich bezeuge, daß es keinen Gott gibt außer Allah und daß Muhammad der Gesandte Allahs ist. Die Rüstung ist deine Rüstung, o Kalif...ich bin dem Heer gefolgt, als du von Siffin weggingst. Da ist die Rüstung von deinem Kamel ... gefallen."

Daraufhin sagte Ali (Allahs Wohlgefallen sei  auf ihm): "Da du nun Muslim geworden bist, soll die Rüstung dir gehören!"..."


4. Wie Menschen, die gewillt sind, den Islam anzunehmen, bei diesem Schritt zu unterstützen sind und wie mit neuen Muslimen umgegangen werden sollte

 

Neue Muslime werden oft von ihrem früheren sozialen Umfeld abgelehnt. Ein Gespräch, wie das folgende, welches sich zwischen der Mutter und der Tante einer neuen deutschen Muslima ereignet hat, ist typisch. Dieses Gespräch lief sinngemäß folgendermaßen ab: Die Tante sagte ihrer Schwester, daß ihre Tochter Drogen nimmt, worauf diese sagte: "Meine Tochter ist noch schlimmer. Sie ist zum Islam übergetreten!"

 

Daher ist es Aufgabe der muslimischen Gemeinschaft, den neuen Muslimen ein neues Zuhause zu geben und sie warmherzig aufzunehmen, damit ihnen diese Prüfung etwas erleichtert wird und somit jemandem, der den Islam annehmen will, die Angst zu nehmen, dann gesellschaftlich isoliert zu sein. Es ist wichtig, privat einen engen freundschaftlichen Kontakt mit den neuen Muslimen aufzubauen. Dabei ist eines wichtig - was die Erfahrung klar bestätigt hat: Man muß manchmal viel Geduld haben bei solchen Beziehungen, da viele neue Muslime ja keineswegs gleich am Anfang einen vorbildlichen islamischen Charakter besitzen. Wie denn auch, wo sie doch ihr bisheriges Leben in einer Gesellschaft gelebt haben, die zwar Werte wie Pünktlichkeit und Ordnung - durchaus islamische Werte - kennt, in der aber darüber hinaus kaum Werte wie Gastfreundschaft, liebevoller Umgang zwischen den Menschen usw. verbreitet sind. Man muß ihnen dabei helfen, ihr Wissen über ihre neue Religion stetig zu erweitern, und ihnen auch dabei helfen, den Islam immer mehr zu praktizieren. Dabei sollte man jedoch Schritt für Schritt vorgehen. Es ist z.B. nicht klug, eine neue Muslima oft daran zu erinnern, daß eine muslimische Frau Kopftuch tragen muß, wenn sie noch nicht einmal das fünfmalige Pflichtgebet verrichtet.

 

 Im folgenden wird jeder der erwähnten Aspekte näher betrachtet:

 

4.1 Die Aufnahme der neuen Muslime in die islamische Gemeinschaft und der Aufbau einer engen persönlichen Beziehung zu ihnen

 

Wenn ein Mensch Muslim wird und auch dazu steht, trennt er sich meist automatisch mehr oder weniger von seinem bisherigen sozialen Umfeld. Diese Trennung muß nicht unbedingt gleich örtlich sein, sie ist vielmehr geistiger Art. Dabei kommt es entweder vor, daß das bisherige soziale Umfeld einen mehr oder weniger ausstößt. Sollte dies nicht der Fall sein, dann sucht der neue Muslim selbst Distanz vor unislamischen Sitten seines bisherigen Umfeldes. Manchmal kommt es vor, daß neue Muslime nicht stark genug sind, sich von den bisher gewohnten unislamischen Dingen zu trennen bzw. von einem Umfeld, welches den neuen Muslim ständig dazu bringt, unislamische Dinge zu tun. Dann sollten die anderen Muslime ihm dabei helfen und ihm einen islamischen Ersatz bieten, denn der Prophet (Allahs Segen und Heil auf ihm) sagte: "Ein Mensch hat den Din[25] seines besten Freundes. So soll jeder von euch darauf achtgeben, wen er sich als besten Freund nimmt.“[26]

Yusuf al-Qaradawi sagt in [Qaradawi92]: „...Es muß für die neuen Muslime unbedingt ein islamisches Umfeld errichtet werden, das ihnen gestattet, ein richtiges islamisches Leben zu führen..."

Vor einiger Zeit trug sich folgende Begebenheit in einem der islamischen Zentren hier in Deutschland zu: Im Islamischen Zentrum sprach eine Frau die Schahada[27], und man feierte ihren Übertritt zum Islam. Als schließlich die meisten gegangen waren, fragte einer der Muslime, ob denn die neue Schwester nicht nun auch nach Hause gehen wolle. Da entgegnete sie sinngemäß: "Ihr seid jetzt meine Familie." Schließlich kam sie zu einer muslimischen Familie nach Hause, blieb dort eine Zeit lang und ging dann zu einer anderen muslimischen Familie. Nach einigen Wochen, nachdem sie etwas Quran und einiges über den Islam gelernt hatte und sich stark genug fühlte, auf eventuelle Fragen von Nichtmuslimen antworten zu können, ging sie wieder zu ihrer eigenen Familie nach Hause.

Wie wichtig die islamische Gemeinschaft für jeden Muslim ist und also auch die Integration von neuen Muslimen in diese Gemeinschaft, kann man aus der folgenden Aussage des Gesandten Allahs (Allahs Segen und Heil auf ihm) ersehen:

"Wer von euch einen Platz in der Mitte des Paradieses haben will, der soll sich an die Gemeinschaft halten. Denn der Satan ist mit dem Einzelnen und er ist von zweien schon weiter weg."[28] Das bedeutet, daß derjenige, der die muslimische Gemeinschaft verläßt, sehr leicht dem Satan ausgeliefert ist.

 

Leider passiert es öfters, daß Muslime eifrig andere Menschen zum Islam einladen, bis sie schließlich die Schahada sprechen. Danach werden diese neuen Muslime aber weitgehends alleine gelassen und entwickeln sich kaum in ihrem neuen Din, sondern fallen eher wieder zurück, nachdem die erste Welle des Enthusiamus abgeklungen ist, weil sie niemanden finden, der sie seelisch stützt.


 

4.2 Liebevoller, barmherziger, geduldiger und respektvoller Umgang mit den neuen Muslimen

 

Im Quran steht: "Und durch Barmherzigkeit von Allah warst du (o Prophet) mild zu ihnen. Wärest du aber barsch und harten Herzens gewesen, dann wären sie bestimmt von dir weggelaufen..."[3:159]

 

Sayyid Qutb dazu: "Dies ist eine Barmherzigkeit, die sowohl ihn (d.h. den Propheten) wie auch sie erfaßte. Diese Barmherzigkeit ließ den Propheten (Allahs Segen und Heil auf ihm) barmherzig und mild zu ihnen sein. Wäre er aber hart und barsch gewesen, so würden sich nicht die Herzen um ihn vereinigen...Die Menschen brauchen eine Atmosphäre der Barmherzigkeit, sie brauchen es, daß man sich auf vorzügliche Art und Weise um sie kümmert, sie brauchen ein gütiges Lächeln. Sie brauchen es, daß sie liebevoll behandelt werden und daß man geduldig ihre Unwissenheit, ihre Schwächen und Fehler erträgt...sie brauchen jemanden mit einem großen Herz, welches ihnen etwas gibt und nichts von ihnen verlangt, welches sich ihrer Sorgen annimmt und nichts von seinen eigenen Sorgen auf sie ablädt. Sie brauchen einen Menschen, bei dem sie jederzeit Fürsorge, Mitgefühl und Liebe finden, und der sie immer so annimmt, wie sie sind...So jemand war der Gesandte Allahs (Allahs Segen und Heil auf ihm), und so war sein Zusammenleben mit den anderen Menschen. Er wurde nie zornig, außer um Allahs willen. Niemals wurde er ungeduldig aufgrund ihrer menschlichen Schwächen. Niemals behielt er etwas für sich von den irdischen Gütern, ohne bereit zu sein abzugeben. Vielmehr gab er ihnen freigiebig alles, was er besaß. Seine Geduld, seine Güte, sein Mitgefühl und seine edle Liebe umschloß sie...Niemand hatte mit dem Propheten (Allahs Segen und Heil auf ihm) Umgang, ohne daß sein Herz sich mit Liebe ihm gegenüber füllte..."[29]

 

Az-Zuhaili sagt in seinem Qurankommentar [Az-Zuhaili] zu diesem Vers: "Allah gab dem Propheten (Allahs Segen und Heil auf ihm) einen solchen Charakter, damit die Mu’minun ein Beispiel haben, dem sie nacheifern sollen."[30]

 

Abu Huraira berichtete in einer Überlieferung von Buchari: "Ein Wüstenaraber stand auf und urinierte in der Moschee. Als die Leute nach ihm griffen, sagte der Phophet (Allahs Segen und Heil auf ihm): "Laßt ihn und gießt einen Eimer Wasser - oder etwas mehr - auf seinen Urin; denn eure Aufgabe besteht darin, es den Menschen leichter zu machen, nicht es ihnen zu erschweren." "

 

Ebenfalls berichtet Abu Huraira (Allah möge mit ihm zufrieden sein) in einer Überlieferung von Al-Bazar: "Einmal kam ein Wüstenaraber zum Propheten (Allahs Segen und Heil auf ihm), um von ihm finanzielle Hilfe[31] zu erbitten. Da gab der Gesandte Allahs (Allahs Segen und Heil auf ihm) ihm etwas und sagte: "Ich habe dir Güte erwiesen." Darauf antwortete der Wüstenaraber: "Nein, und du hast mir auch keinen Gefallen getan." Da wurden einige Muslime, die dabei waren, zornig und wollten aufstehen und ihn packen. Da machte der Prophet (Allahs Segen und Heil auf ihm) ihnen eine Andeutung, daß sie von ihm ablassen sollen. Der Gesandte Allahs (Allahs Segen und Heil auf ihm) stand auf und ging zu seinem Haus. Als er sein Haus erreichte, bat er den Wüstenaraber zu sich ins Haus und sagte: "Du bist zu uns gekommen und hast um etwas gebeten. Wir haben dir daraufhin etwas gegeben, worauf du das nämliche gesagt hast." Dann gab ihm der Prophet (Allahs Segen und Heil auf ihm) noch etwas und sagte: "Ich habe dir Güte erwiesen." Da sagte der Wüstenaraber: "Ja, möge Allah dich und deine Familie belohnen!" Der Prophet (Allahs Segen und Heil auf ihm) sagte: "Du kamst zu uns, batest uns um etwas. Wir gaben dir daraufhin etwas, worauf du das nämliche gesagt hast. Aufgrund dieser Worte hegen meine Gefährten etwas gegen dich in ihren Herzen. Sage zu ihnen deshalb das, was du mir eben gesagt hast, wenn du zu ihnen kommst, damit das, was sie gegen dich in ihren Herzen hegen, verschwindet." Da sagte der Wüstenaraber: "Ja." Als der Wüstenaraber nun zu den Prophetengefährten kam, sagte der Gesandte Allahs (Allahs Segen und Heil auf ihm): "Euer Gefährte hier kam zu uns, bat uns um etwas, worauf wir ihm etwas gaben. Daraufhin sagte er die nämlichen Worte. Daraufhin gaben wir ihm noch mehr, worauf er sich zufrieden zeigte. War es nicht so, o du Wüstenaraber?" Der Wüstenaraber sagte: "Ja, so war es. So möge Allah dich und deine Familie belohnen!" Daraufhin sagte der Prophet (Allahs Segen und Heil auf ihm): "Das Gleichnis von mir und diesem Wüstenaraber ist wie das eines Mannes, der eine Kamelstute besaß, die ihm durchging und von ihm weglief, worauf die Leute ihr folgten. Dardurch lief die Kamelstute jedoch nur noch mehr weg. Da sagte der Besitzer der Kamelstute: "Laßt mich alleine mit meiner Kamelstute, denn ich bin gütiger zu ihr und kenne sie besser." Da wandte er sich zu ihr, nahm einige pflanzliche Reste vom Boden auf und rief sie zu sich, bis sie zu ihm kam und er sie bestieg...Wahrlich, hätte ich euch zu dem Zeitpunkt walten lassen, als der Wüstenaraber seine beleidigenden Worte mir gegenüber sagte, (und ihr hättet ihn getötet)[32], so wäre er ins Feuer gekommen."

 

Eins sollte jedoch noch in diesem Abschnitt erwähnt werden. Der Islam erzieht den Menschen zu einem selbstständigen und emanzipierten Menschen. Der Prophet (Allahs Segen und Heil auf ihm) erzog seine Gefährten zu Menschen, die später in der Lage waren, die Menschheit zu führen. So sagt Allah am Ende des oben erwähnten Verses: „...und ziehe sie zur Beratung heran.“[3:159]. Einmal ordnete der Prophet (Allahs Segen und Heil auf ihm) eine Gefechtsanordnung an. Da sagte einer seiner Gefährten zum Propheten: „Machst du diese Anordnung aufgrund einer Offenbarung?“, worauf der Prophet (Allahs Segen und Heil auf ihm) dies beneinte und sagte, daß dies nur seine eigene Meinung als Mensch sei. Da sagte der betreffende Gefährte, daß er es so und so besser findet, worauf der Prophet dementsprechend handelte.

Ein anderes Beispiel für die emanzipierte Denkweise der Gefährten war der Rat, den die Frau des Propheten, Umm Salama, dem Propheten nach dem Vertrag von Hudaibiyya gab, als die Gefährten zögerten, seine Anweisung, das islamische Ritual der Haarscherung bei der Pilgerfahrt durchzuführen. Der Prophet war aufgrund dieses Verhaltens seiner Gefährten sehr böse, da er ja diese Anweisung in seiner Eigenschaft als Prophet gab. Seine Frau sagte ihm darauf, daß er doch selbst damit beginnen sollte, sich die Haare zu scheeren. Er tat dies daraufhin, worauf die Gefährten ihm folgten.

Die Beziehung zwischen erwachsenen Muslimen sollte also immer eine brüderliche Beziehung sein, und niemals eine sog. „Meister-Schüler-Beziehung“, in der der „Schüler“ nicht lernt, selbstständig zu denken.

 

4.3 Den neuen Muslimen dabei helfen, schrittweise den Islam in ihrem eigenen Leben umzusetzen

 

Buchari berichtet, daß die Frau des Propheten (Allahs Segen und Heil auf ihm), Aischa (Allah möge mit ihm zufrieden sein), sagte: „Am Anfang wurden solche Suren vom Quran herabgesandt, welche das Paradies und das Feuer erwähnten. Als dann schließlich die Menschen im Islam gefestigt waren, wurde das Halal und Haram (d.h. was erlaubt und was verboten ist) herabgesandt. Wäre als erstes herabgesandt worden: „Trinkt kein Wein“ und „Begeht keine Unzucht“, dann hätten die Menschen gesagt: „Wir werden niemals damit aufhören, Wein zu trinken und Unzucht zu treiben“ “.

 

Umar ibn Abdulaziz (Allah möge mit ihm zufrieden sein), der als fünfter der rechtschaffenen Kalifen angesehen wird, wollte nach seinem Amtsantritt das Kalifat wieder so führen, wie es die vier rechtschaffenen Kalifen nach dem Propheten geführt haben. Zuvor wollte er jedoch eine Basis dafür schaffen, um die Fäden fest in der Hand halten. Sein energischer, gottesfürchtiger Sohn Abdulmalik jedoch kritisierte ihn, weil er sein Vorhaben nur langsam in die Tat umsetzte. Sein Vater jedoch, der gleichzeitig ein großer Rechtsgelehrter war, entgegnete ihm: "Hab es nicht so eilig, mein Sohn. Allah hat zuerst zweimal den Alkohol im Quran als etwas Übles kritisiert. Erst beim dritten Mal erließ er das Verbot, Alkohol zu trinken. Ich fürchte, daß wenn ich die Leute auf einmal vollständig mit dem richtigen Weg des Islam konfrontiere, daß sie ihn ganz zurückweisen und daß ich so zu einer Verführung für die Leute werde."[33]

 

Literaturverzeichnis

 [As-Sabuni, Mourad] (teilw. deutsches Orginal, teilw. ins Deutsche übersetzt)

„Erläuterungen zur Sure Ya Sin“ von Muhammad Ali As-Sabuni (aus „Safwat at-Tafasir“). Eine Zusammenstellung von Aussagen klassischer Qurankommentatoren zu Versen der Sure Ya Sin. Mit einer Einführung von Samir Mourad (Die Zeichen Allahs, der Jüngste Tag).

ISBN 3-930767-04-X; CORDOBA-Verlag Karlsruhe (Stefanienstr. 21, 76133 Karlsruhe, Tel. 0721/22307, Fax. 0721/22304), 1.Auflage, 1420/1999

 [Azzindani](deutsche Synchronisation des arab. Orginals)

„Dies ist die Wahrheit - Eine Beweisführung für die Wahrheit des Islam anhand moderner naturwissenschaftlicher Entdeckungen“

(Scheich Abdulmajid Azzindani spricht mit bekannten Naturwissenschaftlern; VHS, 2 Kassetten), Islamisches Zentrum Karlsruhe (Neisserstr.10, 76139 Karlsruhe, Tel./Fax. 0721/678779), 3.Auflage, 2000

Vertrieb: DMK e.V., Stefanienstr. 21, 76133 Karlsruhe, Tel. 0721/22307 Fax. 0721/22304

 

[Az-Zuhaili] (in arab. Sprache)

Prof. Dr. Wahbat Az-Zuhaili (Direktor der Abteilung für islamisches Recht und seine Rechtsschulen an der Universität Damaskus); „Al-Tafsir al-Munir fi al-Aqida wa al-Scharia wa al-Manhadsch“ (Qurankommentar, welcher die Aspekte der Iman-Inhalte (Aqida), des islamischen Rechtes und die Herangehensweise (Manhadsch) beleuchtet); 32 Bände, Dar al Fikr, Damaskus - Dar al Fikr al-Mu'asir, Beirut

 

[Bavaria] (in deutscher Sprache)

„Die Bedeutung des Korans“, (Übersetzung des Korans ins deutsche mit Ausschnitten aus Kommentaren zu den einzelnen Koranversen von verschiedenen Korankommentatoren), 5 Bände, SKD Bavaria Verlag & Handel GmbH, ISBN 3-926575-40-9, 1997 Bavaria-Verlag: Tel. (089)333567/392080/392080/392088/392089,

Fax. (089)3144011

 

 [Denffer82] (in deutscher Sprache)

Ahmad v. Denffer; "Briefe an meine Brüder - Auf dem Weg zur Muslimgemeinschaft", Verlag: Haus des Islam, ISBN 3-88933-007-X, Aachen, 1982

 

[Ghadban] (in arabischer Sprache)

Munir Ghadban; "Al-minhadsch al-haraki lissira an-nabawiyya" ("Die Biographie des Propheten betrachtet aus dem Blickwinkel, wie schrittweise die muslimische Gemeinschaft aufgebaut wurde und die Einladung zum Islam verbreitet wurde"); Verlag: Maktabat al-manar, Jordanien - az-Zarka'

 

 [Maududi95] (ins deutsche übersetzt)

Sayyid Abul A’la Maududi; "Als Muslim leben", Cordoba-Verlag, Karlsruhe, 1995,

ISBN 3-930767-02-3

 

[Maulawi87] (ins deutsche übersetzt, momentan jedoch nicht in Buchform veröffentlicht, Übersetzung liegt im Internet auf einer der Internetseiten des Muslimischen Studentenvereins Karlsruhe (MSVK). Hauptseite des MSVK:

http://www.uni-karlsruhe.de/~msv

in schriftlicher Form ist die Übersetzung im Deutschsprachigen Muslimkreis Karlsruhe, Tel. 0721/22307, Fax. 0721/22304, erhältlich.)

Scheich Feisal Maulawi (Religiöses Oberhaupt der Vereinigung der Islamischen Organisationen in Europa; ehemals Berater im obersten Schariagericht der Sunniten in Beirut/Libanon),

„Die Prinzipien der Scharia, auf denen die Beziehungen zwischen Muslimen und Nichtmuslimen gegründet sind“, Verlag: dar ar-raschad al-islamiyya, 1987

 

 [Mourad] (in deutscher Sprache)

Samir Mourad, „Einführung in das Verhältnis zwischen Muslimen und Nichtmuslimen“, Verlag: Muslimischer Studentenverein Karlsruhe e.V., 1999, ISBN 3-00-004867-7

 

[MuhQutb] (ins deutsche übersetzt)

Muhammad Qutub; "Einwände gegen den Islam" (deutsche Übersetzung der 11. arabischsprachigen Auflage); SKD Bavaria-Verlag; München; 1994; ISBN 3-926575-25-5

 

[MuhQutb2] (in arab. Sprache)

Muhammad Qutub; „Dirasat fin-nafs al-insaniyya“ (Studien über die menschliche Psyche), 10.Auflage, Verlag: Dar asch-Schuruq, Kairo, 1993

 

[Qaradawi92] (in arab. Sprache, teilweise ins englische übersetzt im Internet) Dr. Yusuf al-Qaradawi; "Die Prioritäten der islamischen Bewegung in der kommenden Periode", Maktabat Wahba, Kairo, 1412 n.H. (1992 n.Chr.)

 

[SayyidQutb] (ins deutsche übersetzt)

 

Sayyid Qutub; "Dieser Glaube der Islam"; Verlag: International Islamic Federation of Student Organisations (I.I.F.S.O.), P.O. Box 8631, Salmiah - Kuwait, 1992

 

[SaidHawwa1] (in arab. Sprache)

Said Hawwa; "Allah dschalla dschalaluhu" (Allah der Erhabene), aus der Reihe: "Zielgerichtete Untersuchungen über: 1. Allah, 2. der Gesandte, 3. der Islam"; 3. Auflage; Verlag: darul-kutub al-'ilmiyya; Beirut, Libanon; 1981

 

[Zaidan] (in deutscher Sprache)

Amir M.A. Zaidan, „Al-‘Aqida - Einführung in die zu verinnerlichenden Inhalte des Islam“, Muslim-Studenten-Vereinigung in Deutschland e.V., Marburg, 1997,

ISBN 3 932399-16-1

 


[1] Im Arabischen wird die „Die Einladung zum Islam“ mit dem Wort „Dawa“ bezeichnet. Dawa ist ein umfassendes Wort, welches sowohl die Einladung der Nichtmuslime zum Islam bedeuten kann wie auch die Einladung der nichtpraktizierenden Muslime, sich an den Islam zu halten. Sprachlich gesehen heißt „Dawa“ allgemein „Einladung“.

[2] Siehe z.B. [Mourad], S.32f. und [Maulawi87].

[3] Definition von „Iman“ / „Mu’min (aus [Mourad])

Das Wort „Iman“ wird in der Regel in der Literatur als „Glaube“ übersetzt. Diese Übersetzung ist nicht ganz korrekt, wie wir sehen werden.

a. „Iman“ in Bezug auf Allah

Die Verinnerlichung der bewußten Unterwerfung, Hingabe und Unterordnung Allah gegenüber und die widerspruchslose Akzeptanz Seiner Gebote und Vorschriften in aufrichtiger Ergebenheit.

b. „Iman“ im islamischen Kontext

Allgemeine Bedeutung:

Iman ist die sichere, keinen Widerspruch duldende Verinnerlichung der gesamten Inhalte und der Substanz dessen,

·       was der Prophet Muhammad (Allahs Segen und Heil auf ihm) als abschließende Offenbarung definitiv für alle Muslime verkündet hat und

·       was per definition notwendiger Bestandteil des islamischen Din (das Wort Din wird in einer späteren Fußnote erläutert) ist;

wie z.B. der Iman an Allah, an Seine Engel, an Seine geoffenbarten Schriften, an den Jüngsten Tag, an Seine Gesandten, an die Pflicht des rituellen Gebets, des Fastens im Monat Ramadan, usw.

 

Resümee

In verschiedenen Standardlexika wird „Glaube“ definiert als :

·       „innere Sicherheit, die keines Beweises bedarf; primär (gefühlsmäßiges) Vertrauen, feste Zuversicht“

·       „ohne Überprüfung, meist gefühlsmäßig ohne Beweise für wahr gehaltene Vermutung“

·       „Gefühl, unbeweisbare Herzensüberzeugung“

·       usw.

Aus diesen Definitionen ergibt sich, daß man den arabischen Begriff „Iman“ auch nicht annähernd mit dem deutschen Wort „Glaube“ wiedergeben kann, weil einfach sein Bedeutungsinhalt Beweisführung und bewußte Verinnerlichung (d.h. die wesentlichen Inhalte von Iman) im deutschen Sprachgebrauch explizit ausgeschlossen werden.

In [Zaidan] heißt es: „für den Fall, daß eine Differenzierung bei der Übersetzung nicht möglich ist und ein übergreifender Sammelbegriff verwendet werden soll, empfehle ich als mögliche Übersetzung für die elementare Bedeutung von Iman, den Ausdruck

„die mit Wissen verbundene bewußte Verinnerlichung“

...“

Personen, die Iman praktizieren, heißen dementsprechend:

mask.:   sg. Mu’min, pl. Mu’minun

fem.:       sg. Mu’mina, pl. Mu’minat

 

[4] Definition von „Kufr“ / „Kafir (aus [Mourad])

Kufr“ wird gewöhnlich mit „Unglaube“ übersetzt. Wir werden sehen, daß dies nicht ganz korrekt ist.

a.  Kufr“ in Bezug auf Allah

Kufr hat hier fünf verschiedene Erscheinungsformen:

·       Kufr des kompletten Verleugnens:

Diese Art des Kufr äußert sich in absichtlichem äußerlichen und innerlichen Verleugnen der Existenz Allahs, d.h. in verbalem Abstreiten bzw. Negieren Allahs und Seines Daseins. Diese Form des Kufr ist ein Synonym für Atheismus.

·       Kufr der Heuchelei:

Diese Art des Kufr äußert sich als rein formale, d.h. nur verbale äußerliche Anerkennung des Daseins von Allah mit gleichzeitigem innerlichem Leugnen.

·       Kufr der Ignoranz:

Diese Art des Kufr äußert sich in absichtlich vorgetäuschtem äußerlichen Leugnen des Daseins von Allah (d.h. verbales Abstreiten/Negieren) trotz echter innerer Überzeugung.

·       Kufr des Trotzes:

Diese Art des Kufr äußert sich als formal korrekte äußerliche und innerliche Anerkennung der Existenz Allahs, ohne jedoch die notwendigen Konsequenzen daraus zu ziehen und Allah zu dienen, durch Verherrlichung und Anbetung, durch Unterwerfung, Bindung und Hingabe.

Dies geschieht entweder aus Starrsinn oder aus Überheblichkeit.

·       Kufr des Polytheismus:

Diese Art des Kufr äußert sich in echter (d.h. von tiefer innerer Überzeugung geprägte) äußerlicher und innerlicher Anerkennung des Daseins von Allah in Kombination mit einer komplett und/oder partiell inkorrekten Praxis der daraus folgenden notwendigen Handlungsweisen wie z.B. Verherrlichung und Anbetung Allahs auf eigenmächtig festgelegte und unzulässige Art und Weise, d.h. durch Vollziehen der gottesdienstlichen Handlungen unter Zuhilfenahme eines (Ver-)Mittlers oder durch verbale Benennung bzw. Vorstellung und Anerkennung zusätzlicher göttlicher Mächte neben Allah oder durch unerlaubte Interpretation von Tauhid (d.h. des Monotheismus im Sinne des Islam).

 

b.  Kufr“ im islamischen Kontext

allgemeine Bedeutung:

·       Jede Religion, Glaubensgemeinschaft, Weltanschauung oder Gruppierung außerhalb des Islam fällt unter die Rubrik „Kufr“.

·       Das komplett bzw. partiell bewußte Leugnen bzw. Negieren eines Iman-Inhaltes und/oder eines eindeutigen Gebotes des islamischen Din fällt unter die Rubrik „Kufr“.

·       Heuchelei im Sinne von „rein formalem, d.h. nur verbalem äußerlichem Bekenntnis zum Islam (ohne echte innere Überzeugung)“ fällt unter die Rubrik „Kufr“.

Diese Form gilt als die verabscheuungswürdigste Art   des Kufr.

·       Jeder Verstoß gegen die Prinzipien von Tauhid (d.h. des islamischen Verständnisses des Monotheismus) fällt unter die Rubrik „Kufr“:

      ....

 

Personen, die Kufr praktizieren, heißen dementsprechend:

mask.:   sg. Kafir, pl. Kafirun

fem.:       sg. Kafira, pl. Kafirat

 

Resümee

Bei der Übersetzung des Wortes „Kafir“ müssen zwei Ebenen berücksichtigt werden:

·       Die sprachliche Ebene:

Auf sprachlicher Ebene hat Kafir unterschiedliche Bedeutungen: Ackerbauer, undankbar sein, zudecken, verhüllen, Lossagung, Ignoranz, usw.

·       Die religiöse Ebene:

Auf religiöser Ebene steht „Kafir/Kafira“ bzw. „Kafirun/Kafirat“ als Sammelbegriff für das Gegenteil von „Muslim/Muslima“ bzw. „Muslime/Musliminnen“.

In [Zaidan] heißt es: „Deshalb empfehle ich für den Fall, daß eine Differenzierung bei der Übersetzung nicht möglich ist und ein übergreifender Sammelbegriff verwendet werden soll, als mögliche Übersetzung für die elementare Bedeutung von Kafir/Kafira, den Ausdruck

„der/die Nicht-Gottergebene“

...“

Wichtig ist zu erkennen, daß „Kafir“ als Sammelbegriff für die unterschiedlichen Erscheinungsformen einer bestimmten Geisteshaltung der verschiedensten Personengruppen verwendet wird.

Als Kafir werden beispielsweise bezeichnet:

·       Atheisten

·       Polytheisten

·       sogenannte „Muslime“, die einen Pflichtteil des islamischen Din aberkennen

·       Juden oder Christen, welche die Prophetenschaft Muhammads (Allahs Segen und heil auf ihm) und den Quran als die Offenbarung Allahs ignorieren bzw. nicht anerkennen

Oft kann man das Wort Kafir/Kafira auch einfach als Nichtmuslim/Nichtmuslima übersetzen.

[5] Definition von „Schirk“ / „Muschrik (aus [Mourad])

Unter Schirk versteht man Polytheismus im eigentlichen, wörtlichen und im übertragenen Sinne.

Personen, die Schirk praktizieren, heißen dementsprechend:

mask.: sg. Muschrik, pl. Muschrikun

fem.: sg. Muschrika, pl. Muschrikat

Die ausführliche Definition kann der Leser selbst in [Zaidan] nachlesen.

[6] Ein Da’i ist jemand, der Dawa macht, also zum Islam einlädt. Daß hier immer die männliche Form gebraucht wird, heißt in keinster Weise, daß die Dawa nur von muslimischen Männern betrieben werden soll. Die erste Frau des Propheten (Allahs Segen und Heil auf ihm), Khadidscha (Allah möge mit ihr zufrieden sein) hatte in den ersten Jahren des Islam einen großen Anteil an der Dawa. Sie stärkte den Propheten seelisch und stellte ihm ihr Vermögen zur Verfügung. Ebenso war der erste Mensch, der standhaft den Islam vertrat und dafür zu Tode gefoltert wurde, eine Frau - nämlich Sumaiyya (Allah möge mit ihr zufrieden sein).

Allein dadurch, daß die Frau als Mutter ihre Kinder zu guten, vorbildlichen Muslimen erzieht, trägt sie schon einen sehr großen Anteil zur Dawa bei.

[7] Aus [Mourad], S.35f.

[8] Dies berichtete Muslim.

[9] Bedürftigenabgabe; 2. Säule des Islam

[10]Sayyid Qutb; "Fi dhilal al-Quran" (Im Schatten des Quran)

[11]Prophetengefährte und später erster der vier rechtschaffenen Kalifen

[12]Der Inhalt dieser Betrachtung ist zum großen Teil aus [Ghadban] entnommen.

[13]aus: Ibn Hischam; "As-Sira an-Nabawiyya" (Die Prophetenbiographie)

[14]Stamm in Mekka, aus dem auch der Prophet (Friede sei mit ihm) abstammte

[15] Uthman Ibn Affan, Abdurrahman Ibn Auf, Talha Ibn Ubaidullah, Saad Ibn Abu Wakkas und Zubair Ibn Al Auwam folgten Abu Bakrs Einladung zum Islam. Sie alle gehörten zu jenen zehn Prophetengefährten, denen der Prophet (Allahs Segen und Heil auf ihm) angekündigt hatte, daß sie ins Paradies kommen werden.

[16] Siehe [Ghadban]

[17] Siehe [Ghadban]

[18] siehe [Ghadban]

[19] Es ist jedoch sehr wichtig, auch eine islamische Perspektive der westlich geprägten Geisteswissenschaften kennenzulernen.

In [MuhQutb2] z.B. schrieb Muhammad Qutb in einer Abhandlung über die westliche Psychologie bezüglich Sigmund Freud folgendes – hier in zusammengefasster Form wiedergegeben:

„...Sigmund Freud gab ein verfälschtes, verzerrtes Bild von der menschlichen Psyche wieder, welches den Menschen im wesentlichen als ein Wesen betrachtete, welches von Trieben gesteuert ist. Er beließ es jedoch nicht dabei, sondern gab diesen Trieben noch einen sexuellen Anstrich. Seiner Meinung nach ißt, trinkt und kämpft der Mensch mit sexueller Lust. Gemäß Freud trinkt der Säugling die Muttermilch mit einer sexuellen Lust, das Kind uriniert und macht Stuhlgang mit sexueller Lust usw. All diese Aussagen der Freudschen Theorie sind Behauptungen, für die keinerlei Beweis erbracht wird...“

Hierzu ist anzumerken, daß seit über 2 Jahrzehnten von den meisten Psychologen und Therapeuten die Freudsche Theorie als lächerlich empfunden wird und auch von den meisten Psychoanalytikern als unzureichend empfunden wird. Z.B. durch Romane, Medien und Massenmedien werden diese Anschauungen jedoch nach wie vor verbreitet.

 

Im Zusammenhang mit einigen westlichen Theorien der an sich neutralen Naturwissenschaften wie z.B. der Evolutionstheorie, für die es keinen wissenschaftlichen Beweis gibt, sagt Said Hawwa in [SaidHawwa1]: "...Der Muslim ist also wissenschaftlich in seinem Denken und in seiner Ausrichtung; und sein Ziel ist es, zur wissenschaftlichen Tatsache bzw. wissenschaftlich gesicherten Wahrheit zu gelangen. Dies bedeutet aber nicht, daß er Vermutungen, bloße Annahmen oder Theorien als wissenschaftliche Tatsachen akzeptiert. Der Muslim muß stets auf festem Boden in der Welt des Denkens stehen. Und so wie Allah uns verboten hat, daß wir die Wahrheit zurückweisen und uns ihr nicht unterordnen, so mißfällt es Ihm ebenso, daß wir etwas ohne Beweis akzeptieren, oder etwa, daß wir eine Annahme oder Theorie als Tatsache betrachten und sie als unantastbar annehmen:

"Und folge nicht dem, was du nicht weißt. Wahrlich, das Ohr und das Auge und das Herz - sie alle sollen zur Rechenschaft gezogen werden."[17:36]

"...sie folgen nur der Vermutung. Jedoch kann eine bloße Vermutung nicht eine Tatsache beweisen."[53:28]

"Sprich: Her mit eurem Beweis, wenn ihr wahrhaftig seid." [27:64]

"Bringt mir eine Schrift vor dieser oder eine Überlieferung von Wissen, wenn ihr wahrhaftig seid."[46:4]

"Sie folgen nur einer Einbildung und dem, was sie selbst begehren. Dies, obwohl zu ihnen von ihrem Herrn die Rechtleitung gekommen ist."[53:23]

...“

[20] Dies berichtete Ibn Madscha mit guter Überlieferungskette.

[21] siehe [Ghadban]

[22] das Wort Anfänger ist hier nicht negativ gemeint. Man sollte lediglich beachten, daß die Wissenschaft des Islam ebenso eine Wissenschaft ist wie die Physik oder die Medizin. So kann niemand von sich behaupten, daß er sich ein eigenes Urteil über medizinische Sachverhalte machen kann, ohne vorher mehrere Semester Medizin studiert zu haben. Ebenso ist es mit dem Islam: Ein Nichtgelehrter kann nicht ohne weiteres aus einem Hadith oder einem Quranvers etwas ableiten, ohne den Kommentar eines Fachmanns zu der betreffenden Quelle gehört oder gelesen zu haben.

[23] siehe [MuhQutb], S.2f.

[24]Diese Begebenheit wird ebenfalls von Tirmidhi und Hakim überliefert.

[25] Definition von „Din“ (aus [Mourad])

Nach der Wissenschaft der sinnverwandten Wörter und nach den Quranexegeten wird „Din“ im Quran als Synonym für 11 verschiedene Begriffe verwendet.

Din als Synonym für:

n    Islam

n    Tauhid (Monotheismus im islamischen Sinne)

n    die Abrechnung am Jüngsten Tag

n    die Vergeltung

n    das Gesetz

n    der Gehorsam / die Loyalität

n    die Gewohnheit /die Sitte

n    die Gemeinschaft /das Volk

n    die nach der Scharia (Gottes Gesetz) unveränderbar festgelegten Strafen für bestimmte Verbrechen

n    die Anzahl

n    den Quran

 

Resümee:

Zum richtigen Verständnis der quranischen Texte ist eine Differenzierung bei der Übersetzung unersetzlich.

In [Zaidan] steht: „Für den Fall, daß eine Differenzierung in einem begrenzten Rahmen nicht möglich ist und ein übergreifender Sammelbegriff verwendet werden soll, empfehle ich als mögliche Übersetzung für die elementare Bedeutung von Din, den Ausdruck

„Lebensweise“

und für „ad-din-ul-islami“, den Ausdruck

„die islamische Lebensweise“,

weil m.E. nur der Begriff Lebensweise entsprechend dem islamischen Verständnis alle Bereiche und Ebenen der Lebensgestaltung, nämlich die ideologischen, religiösen, kulturelle, politische, wirtschaftliche, soziale, wissenschaftliche, usw. impliziert und umfaßt.“

[26] Dies berichtete Abu Dawud

[27] Das islamische Bekenntnis, mit dem ein Nichtmuslim zum Muslim wird: „Ich bezeuge, daß es keinen Gott außer Allah gibt, und daß Muhammad der Gesandte Allahs ist.“

[28]Tirmidhi; entnommen aus: „Talbis Iblis“ (Die Methoden des Teufels) von Ibn al-Dschauziyy

[29] aus: Sayyid Qurb; „Fi dhilal al-quran“ (Im Schatten des Quran), Band 1, S.500 f., Dar asch-Schuruq, 21. Auflage, 1414 n.H. (1993 n. Chr.)

[30] aus [Az-Zuhaili]

[31] Ikrima sagte: „Ich denke, Abu Huraira sagte: „...finanzielle Hilfe wegen eines zu entrichtenden Blutgeldes...“ “

[32] In dem Bericht, den Al-Bazar überliefert, kommt der Teilsatz "...und ihr hättet ihn getötet..." nicht vor. Muhammad Al-Ghazzali erwähnt jedoch den gleichen Bericht in "Khuluq al-Muslim" (Der Charakter des Muslim) in einer etwas anderen Fassung, wobei bei ihm der letzte Satz lautet: "..Wahrlich, hätte ich euch zu dem Zeitpunkt walten lassen, als der Wüstenaraber seine beleidigenden Worte mir gegenüber sagte, und ihr hättet ihn getötet, so wäre er ins Feuer gekommen."

[33] Siehe „Al-Muwafaqat“ von Asch-Schatibi

@ Ekrem Yolcu

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