DER PROPHET DES ISLAM - SEINE LEBENSGESCHICHTE

Einleitung:
Arabien:
Religion:
Gesellschaft:
Geburt des Propheten:
Ein Ordnen der Ritterlichkeit:
Aneignung religiösen Wissens:
Offenbarung:
Sendung:
Gesellschaftlicher Boykott:
Die Himmelfahrt:
Auswanderung nach Medina:
Neugestaltung der Gemeinde:
Kampf gegen Unduldsamkeit und Unglauben:
Versöhnung:

Einleitung:

1) Gross ist die Zahl derer, die im Laufe der Geschichte ihr Leben der gesellschaftlichen und religiösen Neugestaltung ihrer Völker geweiht haben; wir finden sie zu allen Zeiten und in allen Ländern. In Indien wurden die Veden geoffenbart, wo es auch den grossen Buddha gibt; China hat seinen Kung-fu-tse; den Persern wurde der Zend-Avesta überliefert. Aus Babylonien kam einer der grössten Reformatoren, Abraham (nicht zu vergessen seine Vorfahren Henoch und Noah, von denen nur unwesentliche Überlieferungen auf uns gekommen sind). Das jüdische Volk darf in dieser Hinsicht auf eine lange Reihe von Neuerern stolz sein: Moses, Samuel, David, Salomon, Jesus - unter anderen.

2) Zwei Punkte müssen festgehalten werden: im allgemeinen haben sich diese Reformatoren auf eine göttliche Sendung berufen, und die Heiligen Bücher, die Lebensregeln, die sie ihren Völkern gegeben haben, werden als Eingebungen, als Offenbarungen betrachtet, die von Gott dem Herrn selbst gegeben wurden. Auf der anderen Seite haben Bruderkriege mit Blutbädern und Zerstörungen die mehr oder minder vollkommene Vernichtung dieser göttlichen Botschaften verursacht. So gibt es ein Buch, das Henoch zugeschrieben wird (dem Idris des Koran), laut Bibel die siebente Generation nach Adam. Auszüge daraus sind im Brief des Judas (Neues Testament) enthalten. Darin wird die Ankunft des letzten Propheten vorhergesagt. Völlig anachronistisch wird darin jedoch auch von Noah gesprochen. Die 250 Seiten dieses Buches beschreiben Träume mehr mythologischer als geistiger Natur. Was das Buch des Abraham und des Noah angeht, so sind sie nur dem Namen nach bekannt. Dass die Bücher Moses wiederholt zerstört und nur teilweise wieder neu zusammengestellt wurden, weiss man ebenfalls.

3) Aus den ältesten Spuren des homo sapiens kann festgestellt werden, dass der Mensch von jeher Kenntnis vom Dasein eines höchsten Wesens, des Herrn und Schöpfers aller Dinge, gehabt hat. Die Beweisgründe mögen verschieden sein, aber die Menschen aller Zeiten haben gleichermassen versucht, Zeugnis abzulegen für ihren Gehorsam gegen Gott und für ihre Bereitwilligkeit, ihre Pflicht ihm gegenüber zu erfüllen. Ausserdem hat man stets die unmittelbare Verbundenheit einer sehr kleinen Zahl von besonders edlen und erhabenen Menschen mit diesem allgegenwärtigen und unsichtbaren Gott für möglich gehalten, seien diese Menschen nun als Inkarnationen der Gottheit aufgefasst oder nur als betraut mit dem Auftrage, ihre Völker entsprechend den göttlichen Botschaften, die ihnen durch Erleuchtung oder Offenbarung zuteil wurden, zu fuhren.

3a) Jedes System metaphysischen Denkens entwickelt seine eigene Terminologie. Im Laufe der Zeit erhalten diese Termini dann eine Bedeutung, die kaum noch dem Sinngehalt des Wortes entspricht, und die wörtliche Übersetzung kann nicht einmal entfernt der Aufgabe gerecht werden. Aber was soll man tun? Es gibt keine andere Methode als die der Übersetzung, um Menschen einer bestimmten Sprache die Gedanken Anderssprachiger verständlich zu machen. Nichtmuslimische Leser sollten sich diese echte, aber unabänderliche Schwierigkeit stets vergegenwärtigen.

4) Wir stehen am Ende des 6. Jahrhunderts nach Christi Geburt. Zu dieser Zeit gibt es Religionen, die in durchaus gutem Glauben erklären, nur bestimmten Rassen, bestimmten Menschengruppen vorbehalten zu sein, und die die übrige Menschheit hilflos lassen gegenüber den Leiden, von denen sie heimgesucht wird. Andere Religionen wieder berufen sich mit Bestimmtheit auf ihre Allgemeingültigkeit, aber sie predigen, dass das Heil des Menschen im Verzicht auf die Welt liege, und das macht aus ihnen eine Art Religion der Auserwählten, die damit nur für eine beschränkte Anzahl von Menschen annehmbar ist. In anderen Ländern endlich bringt es der Unglaube, der Materialismus, das Fehlen jeglicher Religion mit sich, dass die Menschen nur an ihr Vergnügen denken, ohne sich Rechenschaft über die Rechte der anderen abzulegen.

Arabien:

5) Auf der Karte der "größeren" Hemisphäre (die mehr Erde als Meer aufweist, der "Alten Welt" Europa-Asien-Afrika) liegt die arabische Halbinsel im Mittelpunkt. Als ungeheurer Wüstenkontinent hatte sie als Bevölkerung zugleich Sesshafte und Nomaden, oft Angehörige der gleichen Stämme, die die verwandtschaftlichen Bindungen pflegten und doch nach ganz verschiedener Weise lebten. Die Möglichkeiten für den Unterhalt waren sehr bescheiden wegen des Raumes, den die Wüste einnahm; der Handel war wichtiger als Landwirtschaft oder Industrie; daher reiste man viel, auch ausserhalb Arabien, so nach Syrien, Ägypten, Abessinien, Persien und Indien.

6) Unsere Kenntnisse über die Lihyäniten Zentral-Arabiens sind nicht allzu gross; der Jemen jedoch wurde mit vollem Recht das "glückliche Arabien" (Arabia Felix) genannt, nachdem die blühenden Kulturen von Saba und Ma'in bekannt geworden waren, die noch vor der Gründung Roms bestanden. Doch wurde der Jemen - nachdem es ihm gelungen war, in späterer Zeit den Byzantinern und auch den Persern Land zu entreissen - selbst in unzählige Fürstentümer zerspalten, so dass er am Ende des 6. Jahrhunderts n.Chr. der Eroberung durch die persischen Sassaniden anheimfiel. Diesen gehörte auch Ost-Arabien; aber das politisch-soziale Durcheinander, das in Ktesiphon (Madäin) herrschte. übertrug sich auf alle Provinzen. Die Lage im Norden Arabiens, der von den Byzantinern beherrscht wurde, unterschied sich nicht wesentlich von der in den persischen Besitzungen. Nur Arabiens Mitte blieb vor der demoralisierenden Fremdherrschaft bewahrt.

7) Im Mittelpunkt dieses Gebietes war das Dreieck Mekka-Täif Medina in gewisser Weise von der Vorsehung auserwählt: Mekka, wüst und von jeder Landwirtschaft entblösst, repräsentierte den geographischen Charakter Afrikas und seiner brennenden Sahara; kaum 60 Kilometer davon entfernt, verkörperte Täif Europa und seinen Frost; der Äusserste Norden, Medina, war nicht weniger fruchtbar als die mildesten asiatischen Bezirke in Syrien oder anderswo. Wenn das Klima irgendwelchen Einfluss auf den menschlichen Charakter hat, dann war dies Dreieck im Mittelpunkt der "größeren Hemisphäre" ein Abbild des ganzen Erdballs wie kein anderes Gebiet irgendwo auf Erden - eine Miniatur-Welt in ihrer ganzen Mannigfaltigkeit. Und als Nachkomme Abrahams, der aus Babylonien gekommen war, und der Ägypterin Hagar war Muhammad ein Mekkaner und hatte zugleich Oheime mütterlicherseits in Medina und Täif.

Religion:

8) Religiös betrachtet, trieb Arabien Götzendienst; diejenigen, die höhere Religionen wie das Christentum, den Mazdakismus usw. angenommen hatten, waren selten. Die Mekkaner hatten die Vorstellung von einem einzigen Gott, nahmen jedoch Götzen als Vermittler Ihm gegenüber in Anspruch und glaubten merkwürdigerweise weder an eine Auferstehung noch an ein Leben im Jenseits. Sie hatten die Pilgerfahrt zum Hause des einen Gottes, der Kabah, beibehalten und führten diesen Brauch auf ihren Vorfahren Abraham zurück. In den zweitausend Jahren jedoch, die sie von Abraham trennten, war die Pilgerfahrt zu einem kaufmännischen Jahrmarkt, zu einem schmutzigen Götzendienst herabgesunken, ohne im mindesten das soziale wie das geistige Verhalten des einzelnen zu beeinflussen.

Gesellschaft:

9) Von den drei Eckpunkten des genannten Dreiecks war die Stadt Mekka, ungeachtet ihrer Armut an natürlichen Hilfsquellen, am weitesten entwickelt: sie allein begründete einen Stadtstaat, der von einem Rat von zehn erblichen Vorstehern geleitet wurde. Die Vollmachten waren verteilt: es gab einen Minister für auswärtige Angelegenheiten, einen Tempelhüter-Minister, einen Minister für Orakel, einen anderen als Schatzmeister für die Opfergaben im Tempel, einen für die Festsetzung der Gebühren, die bei Schadensfällen zu entrichten waren. Wieder ein anderer war Wächter des städtischen Rathauses oder des Parlamentes, das die Entscheidungen des Ministerrates genehmigte, andere regelten militärische Angelegenheiten, wie die Bewachung der Fahne, die Führung des Reiterheeres usw. Als gute Karawanenführer hatten es die Einwohner von Mekka verstanden, sich von den benachbarten Imperien (Iran, Byzanz, Abessinien - ohne von den Stämmen zu reden, deren Gebiete sie durchqueren mussten) die Genehmigung zu verschaffen, in ihre Länder zu reisen und sich des Innen- und Aussenhandels dort anzunehmen. Ausserdem stellten sie den Geleitschutz für die Fremden, die durch die Gebiete verbündeter Stämme innerhalb Arabiens reisten (vgl. Ibn Habib, Muhabbar). Ohne sich viel mit der Abfassung von Schriftstücken abzugeben, interessierten sie sich weithin für die Künste und Wissenschaften: für Dichtkunst, Redekunst und Volkserzählungen. Die Frau wurde im allgemeinen gut gehalten: sie hatte das Recht auf eigenen Besitz, konnte ihre Zustimmung zur Heirat geben, konnte auch anlässlich ihrer Heirat einen Vertrag über das Recht der Scheidung abschliessen; sie verheiratete sich wieder nach der Scheidung oder nach dem Tode ihres Gatten usw. Zwar gab es auch den Brauch, neugeborene Mädchen lebendig zu begraben, doch geschah dies nur bei bestimmten Volksgruppen, und die Fälle waren selten.

Geburt des Propheten:

10) In dieser Umgebung wurde Muhammad (den man zu Unrecht Mahomet nennt) im Jahre 569 n. Chr. geboren - die Jahreszahlen 570 und 571 sind beide falsch und unhaltbar. Sein Vater Abdullah starb einige Wochen vor seiner Geburt, und sein Grossvater nahm sich seiner an. Nach der herrschenden Sitte übergab seine Mutter den Säugling einer Beduinen-Amme, bei der er mehrere Jahre in der Wüste verbrachte. Die Biographen weisen einstimmig darauf hin, da er nur an der einen Brust seiner Amme saugte und die andere stets seinem Milchbruder überlies. Kaum war er nach Hause zurückgekehrt, als ihn seine Mutter, Aminah, zu seinen Onkeln mütterlicherseits nach Medina mitnahm, um das Grab Abdullahs zu besuchen. Auf dem Heimwege gab sie ihren Geist auf. Kurze Zeit später starb auch sein Grossvater. Nachdem Muhammad im Alter von acht Jahren schon so viel Kummer kennengelernt hatte, lebte er nur bei seinem Onkel Abu Tälib. Leider konnte dieser Mann die guten Eigenschaften seines Herzens nicht recht entfalten, da er für eine zahlreiche Familie sorgen musste und nur über geringe Geldmittel verfügte.

11) So musste der junge Muhammad sogleich für seinen Lebensunterhalt arbeiten; er weidete die Herden einiger Nachbarn. Als sein Onkel eine Karawane nach Syrien führte, begleitete ihn der Zehnjährige. Andere Reisen Abu Talib. werden nicht erwähnt; nach verschiedenen Angaben unterhielt er einen kleinen Laden in Mekka. Es ist möglich, dass Muhammad seinem Onkel auch bei der Führung dieses Geschäftes behilflich war.

12) Muhammad war nun 25 Jahre alt geworden, und seine Ehrenhaftigkeit war allgemein bekannt. Eine reiche Witwe aus Mekka, Khadidschah, vertraute ihm ihre Waren an, die er in Syrien verkaufen sollte. Sie war begeistert von den erzielten ausserordentlichen Gewinnen und bezaubert von den Reizen Mohammeds, so dass sie um ihn warb (nach einigen Berichten war sie 40 Jahre alt, nach anderen nur 28 Jahre alt, und aus biologisch-medizinischen Gründen neigt man zu Letzterem, da Khadidschah dem Muhammad noch sieben Kinder gebar) und ihn heiratete, um ein glückliches Eheleben zu führen. Später besuchte Muhammad manchmal die Messe von Hubaschah (im Jemen) und zumindest einmal das Land der Abdal-Qais (Bahrain-Oman), wie Ibn Hanbal erwähnt. Es besteht Grund zu der Annahme, dass es sich hier um den grossen Markt von Dabä handelt, wohin sich - nach Ibn al-Kalbi (vgl. Ibn Habib, Muhabbar) - die Kaufleute aus China, Hind (Indien), Sind, Persien, vom Osten und vom Westen, über Land wie über Meer reisend, sich jedes Jahr begaben. Es wird auch von einem gewissen Säib aus Mekka berichtet, der im Handel der Teilhaber Mohammeds war; die beiden reisten abwechselnd, um ihre Waren im Auslande zu verkaufen. Dieser Säib hat erzählt: "Wenn Muhammad mit der Karawane zurückkehrte, ging er nicht nach Hause, bevor er mit mir über meine Geschäfte abgerechnet hatte; wenn ich aber nach Mekka zurückkam, fragte er mich einzig und allein nach meiner Gesundheit."

Ein Ordnen der Ritterlichkeit:

13) Fremde Kaufleute brachten oft ihre Waren zum Verkauf nach Mekka. Eines Tages verfasste ein gewisser Jemenite (vom Stamme Zubaid) ein satirisches Gedicht gegen die Mekkaner, weil einige von ihnen ihm den Preis für seine Waren nicht bezahlt hatten und kein einziger der anderen ihm zu Hilfe kam. Zubair, der Onkel des Propheten und Älteste seines Stammes, empfand lebhafte Gewissensbisse bei dieser berechtigten Satire. Im Verein mit einigen anderen Sippenhäuptern aus der Stadt wurde eine Versammlung von Freiwilligen zusammengerufen, um einen ritterlichen Orden zu gründen (er wurde hilf al-fudül genannt), der jedem Unterdrückten in der Stadt, sei er Mitbürger oder Fremder, helfen sollte. Muhammad schloss sich ihm als junger Mann mit Begeisterung an, und er sagte später oft: "Ich habe mich daran beteiligt, und ich bin nicht bereit, auf diese Ehre zu verzichten, selbst nicht für eine ganze Kamelherde; im Gegenteil, wenn einer auch heute noch mich im Namen dieser Verpflichtung zu sich riefe, ich würde ihm zu Hilfe eilen."

Aneignung religiösen Wissens:

14) Über Mohammeds religiöse Übungen bis zum Alter von 35 Jahren ist nicht viel bekannt, ausser dass er, wie seine Biographen versichern, niemals Götzenbilder angebetet haben soll. Es sei daran erinnert, dass es Mekkaner gab, die ebenso handelten und die sich gegen das im Irrwahn lebende Heidentum auflehnten, obgleich sie vollkommen der Kabah treu blieben, dem Hause, das Abraham dem Einen Gott geweiht hatte.

15) Etwa um das Jahr 605 n. Chr. fingen die Vorhänge Feuer, die das Äussere der Ka'bah bedeckten; das so versehrte Gebäude konnte den regnerischen Stürmen, die folgten, nicht standhalten - und alles war zerstört. Der Tempel wurde bald wieder aufgebaut; die Bürger spendeten dafür, ein jeder nach seinem Einkommen, und sie waren sorgfältig darauf bedacht, dass nur ehrlich erworbenes Geld dafür angenommen wurde. Jedermann arbeitete als Maurer mit, auch Muhammad, der sich beim Steineschleppen die Schultern verletzte. Als Ausgangspunkt der rituellen Umschreitung um die Ka'bah befand sich Aussen am Gebäude ein schwarzer Stein, der w ahrscheinlich noch aus der Zeit Abrahams stammt. Als es darum ging, diesen ehrwürdigen Stein wieder an seinen Platz zu bringen, erhob sich eine grosse Debatte unter den Bürgern: wem sollte diese Ehre zuteil werden? Es war so weit gekommen, dass fast die Schwerter gezogen worden wären, als jemand vorschlug, den Schiedsspruch der Vorsehung zu überlassen: der erste, der noch hinzukäme, solle entscheiden. In diesem Augenblick erschien Muhammad, um wie gewöhnlich dort zu arbeiten. Er war bekannt unter dem Namen al-Ardin (der Zuverlässige), und wurde daher ohne Zögern als Schiedsrichter angenommen. Muhammad breitete ein ungenähtes Tuch auf dem Boden aus, stellte den Stein darauf, rief die Vorsteher aller Stämme der Stadt zusammen und forderte sie auf, den Stoff mit dem Stein hochzuheben; er selbst setzte dann den Stein in die vorgesehene Ecke - und jedermann war befriedigt.

16) Seit diesem Augenblick gab sich Muhammad geistlichen Betrachtungen hin. Wie schon sein Grossvater, so begann er jetzt, sich während des ganzen Monats Ramadän in eine Höhle des Dschabal an-Nur (Berg des Lichtes) zurückzuziehen. Die Höhle hiess Ghar Hira (Grotte des Forschens); dort betete er, meditierte und teilte seine knappen Vorräte mit den Reisenden, die vorbeizogen.

Offenbarung:

17) Im fünften Jahre seiner jährlichen Zurückgezogenheit wurde er vierzig Jahre alt. Gegen Ende des Monats erhielt er während der Nacht der. Besuch eines Engels. Dieser teilte ihm mit, dass Gott ihn zu Seinem Boten auserwählt und den Menschen gesandt habe--, er lehrte ihn die Waschungen, die Art und Weise, Gott anzubeten, d.h. das Gebet, und teilte ihm den göttlichen Auftrag mit folgenden Worten mit:

..Im Namen Gottes, des sehr Barmherzigen, des Allbarmherzigen. Lies im Namen deines Herrn, der erschaffen hat:

Der den Menschen erschaffen hat aus geronnenem Blut. Lies! Denn dein Herr, der sehr Edle,

Er hat gelehrt durch die Feder,

Gelehrt den Menschen, was er nicht wusste" (Koran 96, 1-5).(***)

***) Die Koran-Zitate folgen den "islamischen" Versnummern und nicht den europäischen (die von Flügel bestimmt sind); beide weichen manchmal voneinander bis zu sieben Nummern ab.

18) Erschüttert kehrte Muhammad nach Hause zurück und erzählte seiner Gattin, was er soeben erfahren hatte; er gab seinen Befürchtungen Ausdruck, dass es sich nur um irgendeine Teufelei oder um eine Besitzergreifung durch böse Geister handeln könne. Sie tröstete ihn mit dem Hinweis darauf, dass er stets mildtätig und grossmütig gewesen sei, den Armen, den Waisen, den Witwen und all denen geholfen habe, die dieser Hilfe bedurften, und dass Gott ihn deshalb gegen alles Böse schützen werde.

19) Dann vergingen drei Jahre ohne neue Offenbarungen. Das musste nach der anfänglichen Erschütterung für Muhammad zuerst eine gewisse Beruhigung bedeuten; dann aber erhob sich ein Verlangen, eine Erwartung, eine stets wachsende Ungeduld ... Denn die Nachricht von seiner ersten Vision hatte sich verbreitet, und in der Zwischenzeit machten sich die kleinlichen Zweifler lustig über ihn und erlaubten sich bitteren Spott, der so weit ging, dass sie höhnten, Gott habe ihn im Stich gelassen.

20) Während dieser drei Jahre der Unterbrechung und des Wartens widmete sich der Prophet mehr und mehr dem Gebet und geistlichenÜbungen. Dann begannen die Offenbarungen aufs Neue: Gott versicherte ihm, dass Er ihn keineswegs im Stich gelassen habe im Gegenteil: durch Ihn sei er auf den rechten Weg geführt worden; nun solle er sich der Waisen und der Bettler annehmen und die Gnade Gottes verkünden (Koran Sure 93). Das war offenkundig ein Befehl zum Predigen. Eine andere Offenbarung forderte ihn auf, die Menschen von dem zu unterrichten, was ihnen drohe, wenn sie ihre schlechten Sitten beibehielten. Er sollte sie ermahnen, nur den einen Gott anzubeten und alles zu unterlassen, was Ihn erzürnen könnte (74/2-4). Wieder eine andere Offenbarung trug ihm auf seine nächsten Verwandten zuwarnen(26/214); und endlich:"Verkünde offen,was dir aufgetragen ist, und wende dich ab von den Götzendienern" (15/94). Nach Ibn Is'haq kam die allererste Offenbarung (s. § 17) dem Propheten während des Schlafs, offenbar um den Schock zu erleichtern. Später kamen die Offenbarungen immer bei vollem Bewusstsein.

Sendung:

21) Muhammad begann, seine Botschaft zunächst insgeheim seinen vertrauten Freunden zu verkünden, dann seinem Stamm, dann schliesslich öffentlich in der Stadt und ihrer Umgebung. Sein Aufruf war zuerst ein Angriff gegen den Götzendienst, die Vielgötterei und den Atheismus: er betonte eindringlich die Notwendigkeit, an einen einzigen und übersinnlichen Gott zu glauben, an die Auferstehung und an das Jüngste Gericht, und er forderte zur Nächstenliebe und Wohltätigkeit auch Er trug Sorge dafür, dass die Offenbarungen, die er empfing, schriftlich aufgezeichnet und von seinen Jüngern auswendig gelernt wurden. Diese Arbeit des Aufzeichnens setzte sich durch sein ganzes Leben hindurch fort, denn der Koran wurde nicht auf einmal 'im Ganzen geoffenbart, sondern stückweise; jede Offenbarung war die göttliche Antwort bei einem besonderen Anlass.

22) Nach und nach wuchs die Zahl seiner Anhänger, doch mit ihrer Absage an das Heidentum vergrösserte sich auch der Widerstand derer, die am Glauben ihrer Vorfahren festhielten. Dieser Widerstand artete nach und nach in körperliche Quälerei aus - gegen den Propheten ebenso wie gegen die, welche zu seiner Religion übergetreten waren: sie wurden im Sommer auf den glühenden Wüstensand gelegt, mit Eisen gebrannt, mit Ketten an den Füssen gefesselt; einzelne starben an den Folgen der Folterung, aber niemand wollte den Glauben aufgeben, wenn er ihn Ei ' mal kennengelernt hatte. An den Vorstehern der Stadt verzweifelnd, riet der Prophet den Seinen, ihre Geburtsstadt zu verlassen und ins Ausland zu flüchten, nach Abessinien, "wo ein gerechter König regiert, bei dem niemand unterdrückt wird" (vgl. Ibn Hischam). Dutzende von Gläubigen nutzten diesen Ratschlag, aber nicht alle. Und angesichts dieser Auswanderungen mussten sich alle Zurückbleibenden auf ein Anwachsen der Verfolgungen gefasst machen.

23) Die Religion, die Gott dem Propheten Muhammad offenbarte, heisst"lslam", d.h. Unterwerfung unter den Willen Gottes. Das Wort "Islam" bedeutet ausserdem"den Frieden stiften". Die Religion hat zwei entscheidende Wesenszüge: 1. Sie stellt ein harmonisches Gleichgewicht zwischen dem Zeitlichen und dem Geistigen her, zwischen Körper und Geist. Von daher erlaubt sie die vollkommene Nutzung der von Gott geschaffenen Güter, indem sie gleichzeitig jedem Menschen die Pflichten gegenüber Gott einschärft: das Gebet, das Fasten, die Mildtätigkeit - so gibt sich der Islam als eine Religion auch für die Massen und nicht als eine Religion nur der Auserwählten. 2. Sein Aufruf ist allgemein: alle Gläubigen sind Brüder, sind gleich, ohne Klassen-, Rassen- oder Sprachunterschiede; die Überlegenheit hat einzig die Gottesfurcht und Frömmigkeit zur Grundlage (Koran 49/13).

Gesellschaftlicher Boykott:

24) Als Folge der Auswanderung einer grossen Zahl von Muslimen nach Abessinien schickten die heidnischen Führer eine Delegation, um die Auslieferung der Flüchtlinge zu verlangen. Als der gerechte Negus dies verweigerte, richteten sie ein Ultimatum an die Banu Haschim, den Stamm des Propheten, in dem sie schärfstens betonten, dass dieser verbannt und den Heiden zur Hinrichtung ausgeliefert werden sollte. Doch jeder einzelne des Stammes - ob er nun zum Islam übergetreten war oder nicht - wies diese Forderung zurück (vgl. Ibn Hischam). Die Stadt beschloss daraufhin den vollkommenen Boykott über den Stamm; niemand durfte mit seinen Mitgliedern sprechen noch kaufmännische oder eheliche Beziehungen zu ihnen haben. Eine Stammesgruppe "Ahabich" genannt, die um Mekka wohnte und mit den Einwohnern verbündet war, schloss sich dem allgemeinen Boykott an und verursachte furchtbares Elend unter den unschuldigen Opfern - Kinder, Frauen und Greise nicht ausgenommen. Mehrere starben, aber niemand wollte den Propheten seinen Verfolgern ausliefern. Ein Onkel des Propheten, Abu Lahab, Verlies jedoch seine Stammesgenossen und nahm zusammen mit den Heiden an dem Boykott teil. Nach drei schweren Jahren, während derer die Opfer sogar kleingehackte Haute essen mussten, erklärten vier oder fünf Nicht-Muslime, die verschiedenen Stämmen angehörten und nicht so unmenschlich waren wie die übrigen, öffentlich ihren Abscheu gegen den ungerechten Boykott. Zur gleichen Zeit fand man, dass der Vertrag über den Boykott, der im Tempel aufgehängt war, auf wundersame Weise von Termiten zerstört worden war, wie es Muhammad vorhergesagt hatte; nur die Namen Gottes und Mohammeds waren verschont geblieben. Nun wurden die Verbote aufgehoben, jedoch infolge der erlittenen Entbehrungen starben die Gattin des Propheten und sein Onkel Abu Talib kurz darauf. Abu Lahab - ein erbitterter Feind des Islam - wurde darauf Vorsteher des Stammes des Propheten. In schamloser Weise sprach er den Bann über seinen eigenen Neffen aus und machte ihn vogelfrei. Deshalb war der Prophet gezwungen, seine Geburtsstadt und seine Familie zu verlassen und andern Orts Zuflucht zu suchen. Er begab sich zu seinen Onkeln mütterlicherseits in Ta'if, ging aber sofort nach Mekka zurück, als die schlechten und bigotten Einwohner von Ta'if ihn mit Steinwürfen aus ihrer Stadt vertrieben und er dabei verwundet wurde.

Die Himmelfahrt:

25) Zu dieser Zeit erlebte Muhammad seine Himmelfahrt (mi'radsch).- er sah sich von Gott in den Himmel aufgenommen, er schaute die Wunder der himmlischen Welt und brachte seiner Gemeinde als göttliches Geschenk das islamische Gebet, die wahrhafte Vereinigung des Menschen mit Gott (wir müssen uns jedoch merken, dass die Muslime den Gebrauch des christlichen Ausdrucks "Vereinigung", "Kommunion" als irgendwie zweideutig vermeiden). Um dieses Einswerden mit der wirklichen Gegenwart Gottes zu erreichen, bedient sich der Muslim im letzten Teil des Gottesdienstes nicht greifbarer Gegenstände, wie andere Religionen, sondern es werden Grussformeln ausgetauscht, wie dies zwischen Gott und Muhammad anlässlich der Himmelfahrt (mi'radsch) des Propheten geschehen war:

"Gesegnete und lautere Grüsse an Gott.

- Friede sei mit dir, o Prophet, und die Barmherzigkeit und der Segen Gottes.

- Friede sei mit uns und allen Dienern Gottes, die sich rein halten."

Der christliche Ausdruck "Kommunion" besagt in etwa "an Gott teilhaben". Da die Muslime dies als anmassend empfinden, haben sie es vorgezogen, den Ausdruck "Erhebung zu Gott und Aufnahme in Seine erhabene Gegenwart" zu gebrauchen. Gott bleibt Gott, und der Mensch bleibt Mensch, und keine Verwechslung zwischen beiden ist möglich.

26) Die Nachricht von dieser himmlischen Begegnung konnte die Feindseligkeit der Heiden nur noch steigern. Der Prophet ging jedoch unbeirrt den Weg seines göttlichen Auftrags.

Auswanderung nach Medina:

27) Die jährliche Wallfahrt zur Ka'bah führte Araber aus allen Teilen der Halbinsel nach Mekka. Muhammad trachtete daher irgendeinen Volksstamm zu finden, der ihm Obdach gewähren und die Möglichkeiten zur Ausführung seiner reformatorischen Sendung geben würde. Die fünfzehn Abordnungen von Stämmen, die er nacheinander aufsuchte, wiesen ihn aber alle mehr oder weniger heftig zurück. Er verzweifelte jedoch keineswegs; und schliesslich traf er zuletzt ein halbes Dutzend Leute aus Medina. Als Nachbarn von Juden und Christen waren ihnen Propheten und geoffenbarte Botschaften bekannt. Sie wussten auch, dass diese "Völker der göttlichen Bücher" die Ankunft eines Propheten, eines letzten Trösters, erwarteten. Daher wollten diese Medinenser sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, den anderen zuvorzukommen: sie schenkten Muhammad alsbald Glauben und versprachen ihm, in Medina neue Anhänger und die notwendige Unterstützung für ihn zu suchen. Im folgenden Jahre leisteten ein Dutzend Medinenser ihm den Treueschwur und baten um einen Lehr-Missionar. Das Wirken dieses letzteren, Mus'ab, hatte so grossen Erfolg, dass er eine Gruppe von 73 Neubekehrten anlässlich der Wallfahrt nach Mekka führen konnte. Diese luden den Propheten - und auch die anderen Muslime aus Mekka - ein, in ihre Stadt auszuwandern und versprachen, sie zu schützen und wie die Mitglieder ihrer eigenen Familien zu behandeln. Heimlich und in kleinen Gruppen wanderte nun der grösste Teil der Muslime nach Medina aus. Die Heiden beschlagnahmten nicht nur die von ihnen zurückgelassenen Güter, sondern bereiteten auch eine Verschwörung zur Ermordung Mohammeds vor. Der Prophet konnte nicht mehr daheim bleiben. Wir müssen uns hier daran erinnern, dass die Heiden trotz ihrer Feindseligkeiten gegenüber seiner Sendung auf seine Rechtschaffenheit vertrauten - viele von ihnen hatten sogar ihre Ersparnisse bei ihm hinterlegt. Muhammad übergab diese Besitztümer 'Ali, einem seiner Vettern, der sie den Eigentümern zurückerstatten sollte. Dann Verlies er heimlich die Stadt zusammen mit seinem treuen Freunde Abu-Bakr, und nach mancherlei Abenteuern gelang es ihm, unversehrt nach Medina zu kommen. Es war das Jahr 622; damit beginnt die Zeitrechnung der Hidschra.

Neugestaltung der Gemeinde:

28) Um einen besseren Zusammenschluss der Geflüchteten zu erreichen, vereinte sie der Prophet durch eine Art Bruderschaftsvertrag mit einer gleichen Anzahl unter den reicheren Leuten aus Medina. Die Familien der beiden Vertragspartner arbeiteten für den Lebensunterhalt zusammen und halfen sich gegenseitig auf jegliche Weise.

29) Muhammad war davon überzeugt, dass der Mensch sich besser zur Vollkommenheit hin entwickeln könne, wenn man Religion und Politik einander gleichstellte, wie die beiden Bestandteile eines einzigen Ganzen. Er rief daher die Vertreter der Muslime und der Nicht-Muslime aus dem Bezirk zusammen: Araber, Juden, Christen und andere, und legte ihnen die Schaffung eines Stadt-Staates Medina nahe. Nachdem er mit ihnen einig geworden war, gab er diesem Stadtstaat eine schriftliche Verfassung, die Erste dieser Art in der Welt, in der die Pflichten und die Rechte der Bürgerschaft wie auch des Staatsoberhauptes festgelegt waren. Zu diesem letzteren Amte wurde Muhammad einstimmig berufen. Durch diese Verfassung wurde die bisherige private Rechtsprechung abgeschafft und die Sorge dafür von nun an der Gemeinschaft aller Bürger übertragen. Grundsätze für Verteidigung und Aussenpolitik wurden festgelegt. Für die Obligationen, die zu schwer zu tragen waren, wurde ein System von sozialen maaqil(Versicherungen) erstellt, und man billigte Muhammad das letzte Wort bei allen Streitigkeiten zu: es gab keine Beschränkung für die gesetzgeberische Macht des Propheten. Die Religionsfreiheit wurde ausdrücklich anerkannt, speziell für die Juden, denen die Verfassungskunde die Gleichstellung mit den Muslimen in allem zugestand, was das zeitliche Leben betrifft.

30) Danach machte Muhammad mehrere Reisen, um eine Zusammenführung der benachbarten Stämme zu versuchen und mit ihnen Bündnis- und Hilfsverträge abzuschliessen. Er beschloss, unter ihrer Mitwirkung einen wirtschaftlichen Druck auf die Heiden von Mekka auszuüben, die den Besitz der ausgewanderten Muslime beschlagnahmt und unzählige Schäden verursacht hatten. Die Behinderung der Handelskarawanen aus Mekka bei ihrem Durchzug durch das Gebiet von Medina erbitterte die Heiden, so dass ein blutiger Streit entbrannte.

31) Neben den Sorgen für die Verteidigung der materiellen Interessen der Gemeinschaft wurden die geistigen Gesichtspunkte keineswegs ausser Acht gelassen; kaum ein Jahr nach der Auswanderung nach Medina erfolgte die Anordnung der strengsten geistlichen Disziplin: das jährliche Fasten während des ganzen Monats Ramadän für alle erwachsenen Muslime, Männer wie Frauen.

Kampf gegen Unduldsamkeit und Unglauben:

32) Die Austreibung ihrer muslimischen Mitbürger war den Mekka,Lern noch nicht genug; sie stellten an die Einwohner von Medina die Forderung, Muhammad und seinen Gefährten jeglichen Schutz zu entziehen und sie auszuweisen - allerdings offensichtlich ohne Erfolg. Einige Monate später, im zweiten Jahr der Hidschra, schickten sie ein mächtiges Heer gegen den Propheten; der Kampf fand in Badr statt, und die Heiden wurden in die Flucht geschlagen, obwohl sie dreimal so zahlreich waren wie die vom Propheten angeführten Muslime (624). Nach einem weiteren Jahr der Vorbereitung fielen die Mekkaner in Medina ein, um sich für die Niederlage von Badr zu rächen. Der Feind war viermal stärker als die Muslime, zog sich jedoch nach einem blu tigen Kampf in Uhud zurück, ohne dass eine Entscheidung gefallen war. Die von den Heiden geführten Söldner wollten sich nicht weiteren Gefahren aussetzen (625).

33) Inzwischen hatten die jüdischen Einwohner von Medina mit Unruhestiftung begonnen: nach dem Siege von Badr war einer ihrer grossen Führer, Kab ibn al-Aschraf, nach Mekka gereist, um die Heiden seiner Zusammengehörigkeit mit ihnen zu versichern und sie zu einem Vergeltungskampf anzuregen. Nach der Schlacht von Uhud zettelten die Juden seines Stammes eine Verschwörung an, die zur Ermordung des Propheten führen sollte. Sie luden ihn ein, ihr Dorf in Gesellschaft von nur zwei oder drei anderen Personen zu besuchen und gaben vor, dass sie alle bereit seien, den Islam anzunehmen, falls der Prophet ihre Rabbiner, die Dolche in ihren Gewändern verborgen hielten, anlässlich einer Diskussion über religiöse Fragen überzeugen könne. Eine Araberin, die mit einem Juden dieses Stammes verheiratet war, liess ihrem muslimischen Bruder heimlich Nachricht darüber zukommen und vereitelte damit das Komplott. So wird es bei Samhudi erzählt, der sich auf alte Quellen stützt und zu Recht darauf verweist, dass diese Version der Ibn Is'haqs vorzuziehen ist. Trotzdem beschränkte sich Muhammad darauf, von den Angehörigen dieses Stammes zu verlangen, dass sie das Gebiet von Medina unter Mitnahme all ihres Besitzes Verliesen; sie sollten ihren Grundbesitz verkaufen und ihre Kreditbriefe zurückerhalten. Diese Milde hatte völlig unerwartet einen entgegengesetzten Erfolg. Von Khaibar aus setzten sich die Vertriebenen nicht nur mit den Bewohnern von Mekka, sondern auch mit den Stämmen nördlich, südlich und östlich von Medina in Verbindung, mobilisierten ihre militärische Hilfe und führten einen Angriff auf Medina mit Kräften aus, die viermal so stark waren wie die von Uhud. Die Muslime erwarteten eine Belagerung, hoben einen Graben aus und bereiteten sich auf ihre härteste Prüfung vor. Der Abfall der in der Stadt zurückgebliebenen Juden machte jedoch alle Verteidigungspläne zunichte. Einem geschickten Diplomaten gelang es dann aber, die verbündeten Feinde zu entzweien, und sie zogen sich einer nach dem anderen zurück (627).

34) Zu dieser Zeit wurden alkoholische Getränke und Glücksspiele für die Muslime als verboten erklärt.

Versöhnung:

35) Muhammad versuchte nochmals, sich mit den Mekkanern zu versöhnen und begab sich nach Hudaibiyah, nicht sehr weit von Mekka. Die Abschneidung des nördlichen Karawanen Weges hatte die Wirtschaft der Mekkaner zugrunde gerichtet. Muhammad versprach ihnen gesicherte Durchfahrt, die Auslieferung ihrer Flüchtlinge, die sich zu ihm begeben würden, und die Erfüllung jeder anderen vom Feinde gestellten Bedingung. Er war sogar bereit, nach Medina zurückzukehren, ohne die Wallfahrt zur Ka'bah gemacht zu haben. Die beiden Vertragschliessenden Parteien gelobten in Hudaibiyah nicht nur den Frieden, sondern auch die Nichteinmischung in Streitigkeiten mit Dritten (628).

36) Diesen Frieden nutzte der Prophet zur Entfaltung einer grossen Aktivität für die Verbreitung des Islams. Abgesehen von seinen Bemühungen in Arabien sandte er Missionsbriefe an die Herrscher von Byzanz, von Iran, von Abessinien und anderen Staaten. Der

"Autokrator" oder Oberpriester von Byzanz (der "Dughatur" der Araber) nahm den Islam an und wurde deshalb von der christlichen Volksmenge gelyncht; der Prafekt von Ma'an (Palastina) wurde aus dem gleichen Grunde vom Kaiser zum Tode verurteilt und gekreuzigt. Ein muslimischer Gesandter wurde in Palastina/ Syrien ermordet, und der Kaiser - statt den Mörder zu bestrafen - rannte zu seinem Schutze mit seiner Armee gegen die Strafexpedition an, die der Prophet angeordnet hatte (Schlacht von Mu'tah).

37) Die Heiden von Mekka zogen Nutzen aus den Schwierigkeiten der Muslime und verletzten den abgeschlossenen Friedensvertrag. Der Prophet selbst stellte sich an die Spitze einer Armee von zehntausend Mann und überraschte die Stadt, die er ohne Schwertstreich eroberte. Als grossmütiger Sieger versammelte er die Bevölkerung um sich und rief ihr ihre Missetaten ins Gedächtnis: die religiöse Verfolgung, die ungerechte Beschlagnahme des Vermögens der Flüchtlinge, wiederholte Überfälle, zwanzig Jahre sinnloser Feindseligkeit. Schliesslich stellte er die Frage: "Und was erwartet ihr nun von mir?" Als alle beschämt das Haupt sinken liessen, rief Muhammad: "Geht in Frieden, und Gott verzeihe euch. Heute soll euch keine Busse auferlegt werden; ihr seid frei". Er verzichtete sogar auf die Besitztümer, die die Heiden den Muslimen abgenommen hatten. Diese Haltung verursachte augenblicklich eine Änderung der Lage in psychologischer Hinsicht, und als ein Häuptling aus Mekka nach Bekanntgabe des Straferlasses sich freiwillig an Muhammad wandte, um zum Islam überzutreten, sprach Muhammad zu ihm: " Und ich ernenne dich zum Statthalter von Mekka". Ohne einen einzigen Soldaten aus Medina oder anderswo in Mekka zurückzulassen, kehrte der Prophet nach Medina zurück. Die Bekehrung Mekkas zum Islam, die sich in wenigen Stunden vollzog, war vollkommen und aufrichtig (630).

38) Nun rüstete sich die Stadt Täif zum Kampf gegen den Propheten. Das feindliche Heer wurde nach einigen Schwierigkeiten im Tal von Hunain zerstreut; die Muslime zogen es dann jedoch vor, die Belagerung von Täif aufzugeben und lieber friedliche Mittel anzuwenden, um den Widerstand dieses Gebietes zu brechen. Knapp ein Jahr später begab sich eine Abordnung von Täif nach Medina und gab dort ihren Anschluss an den Islam bekannt. Sie erbat jedoch zunächst die Befreiung von der Gebetspflicht, von der Steuer und vom Militärdienst; ausserdem die Erlaubnis, die Praxis der Unzucht und des Genusses alkoholischer Getränke fortzusetzen, ja sogar die Erhaltung des Tempels des Götzen Lat in Täif. Aber der Islam war nicht eine sittenlose materialistische Bewegung; und die Abordnung schämte sich bald ihrer eigenen Forderungen bezüglich des Gebets, des Ehebruchs und des Weines; der Prophet gestand ihr die Befreiung von Steuern und Militärdienst zu und fügte hinzu: "Ihr braucht das Götzenbild nicht eigenhändig zu zerstören; wir werden Leute von hier schicken, die das tun werden; sollte ein Unglück daraus entstehen, wie euer Unglaube es euch fürchten lässt, so werden diese davon betroffen werden." Das zeigt, welche Zugeständnisse der Prophet den Neu-Übergetretenen machen konnte. Die Bekehrung der Taifiten war so aufrichtig, dass sie nach wenigen Monaten von selbst auf die mit ihnen vereinbarten Vergünstigungen verzichteten; dies kann man daraus ersehen, dass der Prophet - so wie in den anderen islamischen Gebieten einen Steuereinzieher auch in ihrem Gebiet ernannte.

39) Während dieser zehn "Kriegs"Jahre hatten die Nicht-Muslime auf den Schlachtfeldern alles in allem etwa 200 Tote zu verzeichnen. Dank dieses gutartigen Eingriffs genas der arabische Kontinent vom Geschwür der Anarchie und Unsittlichkeit. In diesen zehn Jahren uneigennützigen Kampfes nahmen alle Völker der arabischen Halbinsel, Südpalastinas und des Südirak freiwillig den Islam an. (Einzelnen christlichen, jüdischen und persischen Gruppen jedoch, die ihrem Glauben treu bleiben wollten, wurde jegliche Gewissensfreiheit wie auch gerichtliche und rechtliche Selbständigkeit zugestanden.)

40) Im Jahre 10 H., als Muhammad sich zur Hadsch (der Wallfahrt) nach Mekka begab, traf er dort mit 140.000 anderen Gläubigen aus allen Gegenden Arabiens zusammen, die ihn zur Erfüllung der religiösen Pflichten begleiten wollten. Er hielt ihnen jene berühmte Predigt, in der er seine ganze Lehre zusammenfasste: Glaube an einen einzigen Gott ohne Bilder oder andere Symbole; Gleichheit der Gläubigen ohne Unterschied der Rasse oder des Standes - ohne andere Überlegenheit als die Frömmigkeit des einzelnen; Schutz des Lebens, der Güter und der Ehre aller Menschen; Abschaffung der verzinslichen Darlehen (auch der nicht wucherischen); Abschaffung der Blutrache und der privaten Justiz; bessere Behandlung. der Frauen; Verpflichtung zur Erbteilung unter den nächsten @Verwandten der beiden Geschlechter, wodurch jede Möglichkeit zur Aufhäufung von Reichtümern in den Händen einer kleinen Gruppe ausgeschlossen wurde. Der Koran und das Verhalten des Propheten sollten von nun an als Grundlage für das Gesetz und als gesundes Kriterium in allen Fragen des menschlichen Lebens dienen.

41) Nach seiner Rückkehr nach Medina erkrankte Muhammad und konnte einige Wochen später seine Seele in die Hand seines Schöpfers zurückgeben in dem befriedigenden Bewusstsein, dass er die ihm anvertraute Aufgabe, der Welt die göttliche Botschaft auszurichten, gut erfüllt habe. (632 n.Ch.)

42) Er hat der Nachwelt eine Religion des reinen Eingottglaubens hinterlassen; er hat aus nichts einen disziplinierten Staat geschaffen, der von dem Chaos des bellum omnium contra omnes (des Krieges aller gegen alle) befreit war; er hat eine harmonische Gleichschaltung zwischen dem Geistlichen und dem Zeitlichen, zwischen Moschee und Zitadelle erreicht; er hat eine neue Rechtsordnung erlassen, die eine unparteiische Rechtsprechung erlaubt und der das Staatsoberhaupt selbst in gleicher Weise unterworfen ist wie jeder einfache Bürger, und bei der die religiöse Duldsamkeit so weit geht, dass die nicht-muslimischen Bewohner des Landes sich einer vollkommen rechtlichen, gerichtlichen und kulturellen Selbständigkeit erfreuen. Bezüglich der staatlichen Einkünfte hatte der Koran bestimmt, dass sie vor allem den Armen zu dienen haben und keinesfalls Eigentum des Staatsoberhauptes sind. Schliesslich sei hinzugefügt, dass Muhammad seine Lehre in jeder Hinsicht auch selbst befolgt hat. (1)

1) Folglich wollen wir hier nicht über die Wunder im einzelnen berichten. Wunder oder aussergewöhnliche Ereignisse sind Tatsachen. Die Muslime müssen an sie glauben, da der Koran von ihnen spricht. Auch wenn sie uns als aussergewöhnlich erscheinen, so sind sie doch von Gott, dem Allmächtigen Schöpfer der Ursachen und Wirkungen, von Ihm vorherbestimmte Ereignisse, sie finden aber dann statt, wenn wir es nicht erwarten. Wenn ein aussergewöhnliches Ereignis auf das Gebet eines Propheten hin durch Gott geschieht, nennt man es "mudschizah " (was die anderen unfähig macht. das Gleiche zu tun), geschehen sie durch die Heiligen, nennt man sie karamat (d.h. Ehre, also Gott ehrt diese durch sie); geschehen sie durch die Unverschämtheit diabolischer Personen, nennt man sie istidradsch (Erprobung, d.h. Gott erprobt durch sie den Glauben eines Gläubigen). Es ist nicht einfach für einen gewöhnlichen Menschen zu unterscheiden, welches Wunder was ist. Andererseits war das Leben des Propheten Muhammad von Gott dazu vorherbestimmt, ein "schönes Beispiel, dem man nacheifert" zu sein (uswah hasanah) und dies für jeden einzelnen Muslim; selbstverständlich kann ein gewöhnlicher Muslim nicht Wunder auf Bestellung geschehen lassen. Aus diesem und anderen zwingenden Gründen haben wir hier nicht die Wunder des Propheten des Islam beschrieben, die grösser und zahlreicher sind als die irgendeines anderen Propheten, ja sogar grösser als die aller Propheten zusammengenommen. So hat Muhammad zweimal Tote wieder auferweckt, der Mond hat sich auf ein Zeichen von ihm gespalten, eine kleine Menge von Nahrung oder Wasser reichte aus für viele Menschen, Wasser sprang aus seinen Fingern. Er sagte: "Macht eine kleine Sura aus drei Versen, so wie man sie im Koran findet, und fordert alle Menschen und Dschinnen auf, daran mitzuarbeiten" (und dieser Herausforderung konnte seit 14 Jahrhunderten keiner gerecht werden!). Während seiner Himmelfahrt fuhr er auf zum Himmel und kam dann wieder zur Erde zurück ... usw., usw. Seine Wunder haben ganze Bücherbände gefüllt. Aber der Koran (29/50-51) selbst lehrt uns, eher den Worten und dem Lebenswandel des Propheten unsere Aufmerksamkeit zuzuwenden als Wunder zu verlangen.Ein guter Muslim wie Abu Bakr verlangte nicht nach Wundern, um den Islam anzunehmen. Abtrünnige wie Abu Dschahl und Abu Lahab glaubten nicht einmal beim Anblick der aussergewöhnlichsten Wunder des Propheten. Wunder sind nur an intellektuell unterentwickelte Personen gerichtet.


Quelle: Islamischer Studentenbund der Uni Essen